Manifest für ein modernes Strommarktdesign: Experten fordern radikale Reformen
Ein neues Manifest fordert eine grundlegende Überarbeitung des Strommarktdesigns in Deutschland, um den Herausforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Das Dokument, das von führenden Energieexperten und Interessenvertretern vorgelegt wurde, identifiziert zehn zentrale Punkte, die für eine nachhaltige und flexible Energieversorgung reformiert werden müssen.
Angesichts der rasanten Entwicklungen in der Energiebranche und der dringenden Notwendigkeit, die Stromversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, hat eine Gruppe von Fachleuten ein Manifest veröffentlicht, das den dringenden Reformbedarf im deutschen Strommarkt beschreibt. Das Manifest fordert eine Abkehr von veralteten Praktiken und Mechanismen, die den aktuellen Anforderungen einer nachhaltigen und flexiblen Energieversorgung nicht mehr gerecht werden.
1. EPEX Spot als primäre Referenz für Ausgleichsenergie ersetzen
Das Manifest kritisiert die derzeitige Nutzung des EPEX Spotmarkts als Referenz zur Wertbestimmung von Ausgleichsenergie. Die Autoren plädieren für die Schaffung dynamischer und regional differenzierter Märkte, die die tatsächlichen Kosten und Anforderungen an die Netzstabilität besser abbilden. Dies würde die Effizienz und Fairness im Markt deutlich erhöhen.
2. Integriertes Management von Dispatch- und Redispatch-Maßnahmen
Der derzeitige Ansatz der Optimierung von Redispatch-Maßnahmen ohne vorhergehende Anpassung des Dispatches wird als ineffizient beschrieben. Das Manifest schlägt ein integriertes Managementsystem vor, das sowohl Dispatch- als auch Redispatch-Maßnahmen umfasst, um die Effizienz des Stromsystems zu maximieren und Kosten zu senken.
3. Einführung einer Kapazitätsabsicherung für Erzeuger
Das Manifest fordert, die bedingungslose Einspeisung von Strom ins Netz ohne vorherige Kapazitätsabsicherung zu beenden. Um die Netzstabilität zu gewährleisten, sollten neue Mechanismen zur Kapazitätsabsicherung eingeführt werden, die eine zuverlässige und stabile Stromversorgung sicherstellen.
4. Einbeziehung von Kleinerzeugern und Kleinverbrauchern in den Stromhandel
Der bisherige Ausschluss von Kleinerzeugern und Kleinverbrauchern vom aktiven Stromhandel wird kritisiert. Das Manifest fordert eine Öffnung des Marktes, die diesen Akteuren einen einfacheren Zugang und entsprechende Anreize bietet. Dies würde die Flexibilität im Stromnetz erheblich erhöhen.
5. Berücksichtigung regionaler Kosten der Stromlogistik
Die zentralisierte Festlegung von Strompreisen ohne Berücksichtigung der regional unterschiedlichen Kosten der Stromlogistik wird als ineffizient und ungerecht bezeichnet. Die Experten schlagen vor, regionale Marktmechanismen zu etablieren, die diese Kostenfaktoren berücksichtigen. Der GrünstromIndex, der den Anteil der lokalen Stromerzeugung anzeigt, könnte hierbei eine zentrale Rolle spielen.
6. Berücksichtigung ungeplanter Nichtverfügbarkeiten von Kraftwerken
Das Manifest betont die Notwendigkeit, ungeplante Nichtverfügbarkeiten konventioneller Kraftwerke nicht länger zu ignorieren. Es wird gefordert, flexible und dezentrale Lösungen zu entwickeln, die diese Unwägbarkeiten kompensieren und so die Versorgungssicherheit erhöhen.
7. Mehr Souveränität am Netzanschlusspunkt
Die fehlende Souveränität am Netzanschlusspunkt behindert laut Manifest die Selbstverantwortung und aktive Teilnahme lokaler Akteure am Strommarkt. Es werden lokale Märkte und Regeln gefordert, die mehr Autonomie und Verantwortlichkeit auf lokaler Ebene ermöglichen.
8. Abkehr von zentralisierten Kapazitätsmärkten
Die Autoren sprechen sich gegen die bisherigen Modelle des "Dezentralen Leistungsmarkts" und "Dezentralen Kapazitätsmarkts" aus, da diese die Gesamtkosten des Stromsystems erhöhen. Stattdessen wird ein marktwirtschaftliches Modell vorgeschlagen, das auf Versicherungslösungen basiert und von unterschiedlichen Marktakteuren angeboten werden kann.
9. Nutzung der Ergebnisse des Energieforschungsprogramms
Das Manifest kritisiert, dass die Ergebnisse des Energieforschungsprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums oft ignoriert werden. Diese Forschungsergebnisse sollten laut Manifest stärker in die Gestaltung eines neuen Strommarktdesigns einfließen, um die Effizienz und Praktikabilität neuer Lösungen sicherzustellen.
10. Förderung der Technologieoffenheit und Sektorenkopplung
Abschließend fordert das Manifest eine größere Offenheit gegenüber neuen Technologien, sowohl vor als auch hinter dem Stromzähler. Es sollen Möglichkeiten zur flexiblen Tarifgestaltung ab der ersten Kilowattstunde geschaffen werden, um eine breite Akzeptanz und Nutzung von Sektorenkopplungstechnologien wie Vehicle-to-Grid zu fördern.
Das Manifest setzt deutliche Impulse für die zukünftige Gestaltung des Strommarktes. Die vorgeschlagenen Reformen zielen darauf ab, die Effizienz zu steigern, die Netzstabilität zu sichern und die Integration erneuerbarer Energien zu fördern. Die Umsetzung dieser Vorschläge könnte den Weg zu einem nachhaltigen und zukunftssicheren Energiesystem ebnen. Nun liegt es an den politischen Entscheidungsträgern und der Branche, diese Empfehlungen aufzugreifen und die notwendige Transformation voranzutreiben.