Zahlen, bitte!

CO2 – von der gehandelten Commodity zur Währung?

Neun Tonnen CO2 erzeugt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Zwei Tonnen sollten es höchstens sein, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Neben der systematischen Förderung von CO2-armen Technologien setzt die Politik aktuell auf die Macht des Marktes, genauer: auf den Handel mit CO2-Emissionsrechten. Der Webfehler dieses Systems: Die Verbraucher zahlen zwar letztlich die Zeche – haben jedoch wenig Möglichkeiten, diesen Markt mitzugestalten. Wie lässt sich das ändern? Und warum müssten wir dazu CO2 nicht mehr als Commodity, sondern als (Hilfs-)Währung betrachten?

CO2-Zertifikate als erster Schritt

Eigentlich ist das Prinzip ganz einfach: Unternehmen müssen, wenn in ihrer Arbeit CO2 in erheblichem Umfang entsteht, das nicht anderweitig kompensiert ist, Emissionsrechte in Form von Zertifikaten erwerben, und zwar entweder in staatlichen Auktionen oder auf dem freien Markt.


Die so entstehenden Kosten reichen die Unternehmen an ihre jeweiligen Kunden durch – bis sie bei uns, den privaten oder gewerblichen Endverbrauchern, landen, ohne dass wir viel Einfluss darauf hätten. In vielen Fällen sind wir uns dieses Kostenfaktors auch gar nicht bewusst.

Doch das ändert sich gerade – beginnend in der Elektromobilität:

THG-Quote: Mit gutem Beispiel voran?

Die Treibhausgasminderungsquote verpflichtet Mineralölunternehmen dazu, den durch ihre Treibstoffe verursachten CO₂-Ausstoß zu senken: Aktuell sind es noch sieben Prozent, 2030 sollen es 25 Prozent sein. Können sie diese Vorgaben nicht einhalten, drohen Strafen – oder sie müssen am Markt zusätzliche Emissionsrechte erwerben. Umgedreht schöpfen Anbieter von Grün- oder Ökostrom für die Elektromobilität ihre Emissionsrechte nicht aus und können diese als CO2-Zertifikate am Markt verkaufen. Seit Beginn dieses Jahres können sich nun auch die Besitzer von elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen an diesem Handel beteiligen und die durch das „Tanken“ von Öko- oder Grünstrom eingesparten Emissionen verkaufen – zumindest pauschal und aktuell noch über Zwischenhändler. Doch ein (durchaus lukrativer) Anfang ist gemacht. Ähnliches ließe sich ja auch für andere Bereiche vorstellen, etwas für den Haushaltsstrom, für die Heizung und Klimatisierung mittels Wärmepumpe etc.

Allein: Das sind Einzelmaßnahmen, die zudem nur einen Teilmarkt betreffen. Der notwendigen Reduzierung des CO2-Ausstoßes kommen wir so nur in kleinen Schritten näher – und damit viel zu langsam. Das zumindest ist die Ansicht des SaveClimate.Earth e.V., der einen deutlich radikaleren Ansatz vertritt:

CO2 als Währung – mit Grundeinkommen

Wie wäre es, so der Vorschlag von SaveClimate.Earth, wenn wir CO2 bzw. die damit verbundenen Emissionsrechte als eigenständige Währung betrachten, die zudem an uns Endverbraucher gekoppelt ist? Wir würden dann jeden Monat eine bestimmte CO2-Menge erhalten: ein Grundeinkommen, das wir verbrauchen dürfen. Benötigen wir mehr, müssen wir am Markt Geld gegen CO2 eintauschen (sprich: Emissionsrechte kaufen), verbrauchen wir weniger, können wir das nicht gebrauchte CO2 ansparen (wenn auch zinslos) oder selbst verkaufen.

Doch wäre das wirklich zielführend und sozial gerecht? Reiche Menschen (die ohnehin einen überproportionalen Teil der CO2-Emissionen erzeugen), könnten sich einfach „freikaufen“ und weiterleben wie bisher. Sparen müssten dann vor allem die weniger gut Betuchten. Und die käme es teuer zu stehen: CO2-arme Lebensmittel etwa, solche aus regionalem und Bio-Anbau, sind derzeit auch beim Discounter nur gegen Aufpreis zu haben. Die erzwungene Nachfrage würde hier die Preise noch einmal deutlich in die Höhe treiben. Oder gerade die Armen wären gezwungen, CO2-Emissionsrechte zu kaufen – allein, um Essen auf dem Tisch zu haben.

Aber das Modell bietet auch zwei ganz entscheidende Vorteile:

1. Es gibt uns Verbrauchern die Handlungsmacht in die Hand: Wir zahlen nicht nur die Zeche (sowohl im Produktpreis als auch durch die indirekten Kosten des Klimawandels). Wir können über unsere Kaufentscheidungen selbst den Markt gestalten.
2. Es erfordert radikale Transparenz: Unternehmen wie Verbraucher sind gefordert, genau über ihren Treibhausgas-Ausstoß Buch zu führen. Die transparente CO2-Bilanz würde zur Pflicht für alle Marktteilnehmer.

Transparenz als wichtigster Schritt zur Währung CO2

Im Grunde etabliert der Zertifikatehandel Treibhausgasemissionsrechte bereits als in reales Geld umtauschbare Hilfswährung. Mit der THG-Quote ist zumindest ein erster Schritt dazu gemacht, auch den Endverbrauchern Zugriff auf diese Währung zu geben.

Ein fairer Markt kann aber nur entstehen, wenn alle Marktteilnehmer über die gleichen Informationen verfügen – ein Ziel, dem wir uns zumindest auf dem Energiemarkt annähern: Industriezweige mit hohem Treibhausgasausstoß (etwa die Energieunternehmen) oder Automobilhersteller stehen bereits in der Pflicht, ihre CO2-Bilanz zu dokumentieren und ausweisen.

Wäre es daher nicht wünschenswert, diese Transparenz auf den ganzen Markt auszudehnen? Wenn die CO2-Emissionen aller Produkte und Dienstleistungen klar und prominent ausgewiesen würden – auf dem Preisschild und auch auf der Rechnung? Wenn wir nicht nur an der Tankstelle erfahren würden, wie viel Kilogramm CO2 aus dem jetzt wieder vollen Tank entstehen, sondern auch, welche Emissionen der schöne grüne Apfel aus Neuseeland von der Anpflanzung bis zum Supermarkt generiert hat? Damit würde im ersten Schritt ein Bewusstsein geschaffen. Rasch würden Verbraucher auch die „CO2-Kosten“ eines Produktes in ihre Überlegungen einbeziehen: Die gelebten Werte eines anbietenden Unternehmens spielen bei Kaufentscheidungen schon jetzt eine große Rolle – und die Kunden sind durchaus bereit, sich das etwas kosten zu lassen, wie der Erfolg von nachhaltig erzeugten und Bio-Lebensmitteln zeigt. Und was könnte Werte wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit besser repräsentieren als ein Produkt mit deutlich günstigeren CO2-Kosten als die der Mitbewerber? Es käme also – ganz ohne Zwang und CO2-Grundeinkommen – zu einem gegenseitigen Unterbieten bei den CO2-Emissionen. Und zu vielen damit verbundenen Innovationen bei Materialien, Fertigung, Verpackung und Transport.

Ein weiterer Vorteil: Diese Entwicklung internationalisiert sich allein über die Marktmacht, wenn sich ein wirtschaftliches starkes Land oder gar ein Wirtschaftsraum wie die EU einmal dafür entschieden hat – dank der internationalen Lieferketten. Denn natürlich sind auch die Lieferanten in Drittländern weiterhin daran interessiert, ihre Produkte bei uns abzusetzen – und dafür den CO2-Ausstoß nicht nur zu dokumentieren, sondern auch zu senken. Und nicht zuletzt wäre ein solcher Ansatz auch sozial gerecht, denn langfristig würden die Preise sinken: Die CO2-Emissionen entstehen größtenteils durch den Verbrauch von fossilen Energieträgern wie Gas, Öl oder Kohle. Die Kosten für diese Energieträger gehen gerade durch die Decke – einer der größten Treiber der aktuellen Inflation. Und auch wenn sich der Markt wieder beruhigt, dann vermutlich auf hohem Niveau. Diese Energieträger werden daher dort, wo es geht, langfristig durch erneuerbare Energien ersetzt werden, die sich zu stabilen Kosten gewinnen lassen – und das führt erst zur Preisstabilität, dann zur Kostensenkung, sobald das erste Unternehmen damit anfängt, aus Gründen des Wettbewerbsvorteils diese Einsparungen an seine Kunden weiterzugeben.

Die Voraussetzung: Ehrliche und korrekte CO2-Buchführung über die gesamte Lieferkette

Diese Utopie lebt und stirbt natürlich mit den verfügbaren Zahlen. Doch da hapert es bisher noch. Viele Unternehmen können schlicht noch keine „CO2-Stückpreise“ für ihre Produkte ermitteln, weil ihnen die Daten dafür fehlen – oder weil sie diese bisher schlicht nicht dokumentiert haben.

Doch die verpflichtende CO2-Bilanzierung für alle Unternehmen wird kommen. Sei es, weil es der Gesetzgeber vorgibt, sei es, weil die Unternehmen sehen wollen, wie stark die Arbeit ihres für teures Geld beschäftigten Energiebeauftragten nicht nur die Budgets entlastet, sondern auch die Umwelt. Früher oder später liegen die Zahlen also vor. Und spätestens dann ist der Weg zu den CO2-Emissionen als (Hilfs-)Währung abgeschlossen.

Es kommt dann nur noch darauf an, die Zahlen transparent aufzubereiten und die entsprechenden CO2-Stückkosten zu berechnen. Der Markt erledigt dann hoffentlich den Rest.

Was können Sie jetzt schon tun?

Wie auch schon im Artikel zur CO2-Bilanzierung gezeigt, kommt es weniger darauf an, von Anfang an das perfekte System am Start zu haben. Wichtiger ist, einfach mal loszulegen.

Unternehmen können damit anfangen, ihre CO2-Bilanzen zu dokumentieren und kommunizieren, um ein Bewusstsein bei ihren Endkunden zu schaffen. Dazu sind nicht mal teure Investitionen nötig: Einen Anfang können sie mit unserer CO2-Offset-App machen, über die sie auch gleich ihre CO2-Emissionen kompensieren können.

Der gleiche Weg steht übrigens auch Endkunden offen. Insbesondere jene, die nicht nur preis-, sondern auch umweltbewusst handeln, können mit unserer App ihr eigenes CO2-Haushaltsbuch führen.

Vielleicht gehört dann die CO2-Buchhaltung bald schon zu unserem Alltag – im Unternehmen und in Privathaushalten. Wir müssen nur den Anfang machen.