Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Fahrradbahn

Das E-Bike als Einstiegsdroge in die Elektromobilität

Neue Radwege aller Orten, sei es der hochmoderne, zweispurige und baulich von der Straße getrennte Radweg neben der B37 bei Heidelberg, sei es das geplante und in Pilotprojekten bereits begonnene Radschnellwegenetz im Rhein-Neckar-Raum: Das Fahrrad (mit und ohne elektrische Unterstützung) ist als elementarer Baustein einer umweltfreundlichen Mobilität angekommen. Doch welche Rolle spielt dabei das E-Bike? Was sind die Vor- und Nachteile? Und warum findet gerade diese Fortbewegungsart solchen Zulauf?

Zunächst vorweg: Der Autor dieses Artikels liebt sein E-Tricycle und lässt sein Auto immer häufiger in der Garage stehen. Denn viele Wege – bis hin zum Wocheneinkauf für den Singlehaushalt – lassen sich per Rad erledigen. Außerdem lädt der bisher recht milde und sonnige Herbst dazu ein, das Kardiotraining auf dem heimischen Crosstrainer durch ausgedehnte Radtouren in der Natur zu ersetzen.

Offenkundig ist er damit nicht allein: Radwege und Ausflugrouten sind gut frequentiert; immer häufiger haben die Fahrräder elektrische Unterstützung, wenn es sich nicht gleich um Lastenräder handelt, mit denen Kinder, Hunde und Einkäufe durch die Gegend geschaukelt werden.

Zudem scheint sich die soziale Zusammensetzung der Radfahrer zu ändern: Bevor E-Bikes erschwinglich wurden, gab es hauptsächlich vier Gruppen: Da waren zunächst einmal Kinder, Jugendliche und Studierende – also jene, die entweder noch kein Auto fahren oder es sich nicht leisten können. Dann gab es die hart gesottenen „Alternativen Haushaltsführenden aller Geschlechter“, die ihre Einkäufe aus dem Reformhaus, ihre Ernte aus dem Schrebergarten auch per Muskelkraft nach Hause beförderten. Dann die Senioren, die das Rad noch zu ihrer Jugend lieben gelernt haben. Und zuletzt die Supersportler, die man am begrenzt verkehrssicheren Mountainbike oder Rennrad sowie an ihrer hautengen Kleidung erkannte. All diese Gruppen gibt es heute noch immer, doch die Lücken dazwischen haben sich aufgefüllt. Wer es sich leisten kann und will – finanziell und körperlich –, fährt heute Rad. Und dass immer mehr Leute – Schwache, Ältere oder Menschen mit Behinderung – auch weitere Strecken mit dem Rad fahren (können) – das ist das Verdienst des E-Bikes.

Während Kinder, Jugendliche, Studierende, Senioren und die Fraktion der „Alternativen Haushaltsführenden“ diese Entwicklung im Großen und Ganzen begrüßen, zeigen sich die „Supersportler“ oft misstrauisch bis feindselig – das T-Shirt mit der Aufschrift „Warum ich ohne Akku fahre? Weil ich es kann!“ scheint ihre neue Uniform zu sein. Und das ist ganz gut so, denn so lassen sich jene Radler, die ein Fahrverhalten an den Tag legen, das wir sonst nur von Vertreter-bestückten PS-Monstern auf der Autobahn kennen, schon vor der Risikobegegnung identifizieren.

Aber genug gelästert. Werfen wir einen Blick auf Kosten und Nutzen von E-Bikes.

Was kostet es, E-Bike zu fahren?

Die Anschaffungskosten guter E-Bikes beginnen bei 2000 Euro, nach oben hin fast offen. Das teuerste Modell ist vermutlich das „Ice Full Fat Trike“, das in maximaler Ausbaustufe so viel kostet wie ein Kleinwagen. Aber setzen wir einmal 3.000 Euro als Wert an. Lastenräder sind noch einmal deutlich teurer (zwischen 4.500 und 5.000 Euro). Man rechnet zudem mit einem Stromverbrauch von etwa 200 kWh bei einer Jahresfahrleistung von 3.000 Kilometern. Hinzu kommen Wartungsarbeiten und Kleinteile wie Reifen, Ketten, Ritzel, Bremsbeläge etc. Seien wir großzügig und setzen wir hier noch einmal 150 Euro pro Jahr an.

Bei einer Lebensdauer von fünf Jahren entstünden also folgende Kosten:

Anschaffung: 3.000 Euro
Stromkosten: 500 Euro (5 * 200 kWh bei aktuell hohem Strompreis von 50 Cent/kWh für Ökostrom)
Wartung: 750 Euro
Gesamt: 3.250 Euro

Und das bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern.

Ist das nun günstiger als das Auto? Nicht unbedingt. Denn nehmen wir jetzt einmal an, die Hälfte dieser Fahrleistung ersetzt Strecken, für die ansonsten das Auto angespannt wird, also 7.500 Kilometer. Legt man der Einfachheit halber die „Pendlerpauschale“ von 38 Cent/Kilometer zugrunde, hätte der Pkw etwa 2850 Euro an Kosten verursacht, läge also drunter. Ersetzt man mehr Strecken durch das Rad, verbessert sich das Kostenverhältnis. Auch größere Fahrleistungen tragen dazu bei. Allerdings sollte man dann beachten, dass aktuelle Fahrradmotoren maximal etwa 20.000 Kilometer halten.

Deutlich die Nase vorn hat das E-Bike allerdings beim CO2-Ausstoß. Rechnet man die Fertigung mit ein, kommt ein E-Bike auf etwa acht Gramm CO2 pro Kilometer, ein Auto hingegen auf etwa 118 Gramm.

Auch sollte man beachten, dass das E-Bike unter Umständen das Auto nicht vollständig ersetzen kann. Der Anzahl der Passagiere und dem Umfang der zu transportierenden Lasten sind deutlich engere Grenzen gesetzt: Einkäufe für den Single-Haushalt – kein Problem. Wocheneinkauf für die vierköpfige Familie? Da wird es eng. Allerdings könnte die vierköpfige Familie mit zwei berufstätigen Eltern eventuell auf eines der sonst notwendigen zwei Autos verzichten – und die Fahrten mit der Familienkutsche auch reduzieren. Damit ließe sich schon die Anschaffung von Lastenrad plus E-Bike für den jeweils anderen Elternteil finanzieren.

Leib, Leben, Eigentum: Nachteile und Risiken

Neben dem klaren Umwelt- sowie dem möglichen Kostenvorteil hat das E-Bike als Verkehrsmittel auch klare Nachteile: Geringere Geschwindigkeit, Begrenzung von Passagieren und Last, mangelnder Schutz vor Wind und Wetter sind nur die offensichtlichsten.

Hinzu kommt das Risiko für Leib und Leben – nicht nur für den Radfahrer selbst, sondern auch für andere. Eine noch immer unterentwickelte Infrastruktur, die sich Radfahrer und Fußgänger, bzw. Rad- und Autofahrer teilen, schlechte Straßenqualität gerade auf Nebenstrecken und mehr tragen zu diesem Risiko ebenso bei wie mangelnde Schutzkleidung: Auch der Fahrradhelm ist nicht immer das Gelbe vom Ei, der sehr viel besseren Schutz gewährende „Hals-Airbag“ teuer und vom TÜV noch immer skeptisch beäugt.

Außerdem ist auch die Teilnahme am Straßenverkehr per Rad keine intuitiv beherrschbare Kunst. Verkehrsregeln, mindestens aber die Prinzipien von Umsicht und Rücksichtnahme gelten auch für uns Pedaleros – und zwar sowohl aktiv als auch passiv: Der „Holländische Griff“ ist bei vielen Autofahrern noch ebenso wenig angekommen wie die Erkenntnis, dass Ampeln und Vorfahrtsregeln auch für Radfahrer gelten und „Ich pass da durch, also fahre ich; macht Platz, ihr Schnecken“ keine rücksichtsvolle Verkehrsteilnahme darstellen.

Nicht zuletzt wird der Fahrraddiebstahl noch zu oft als Kavaliersdelikt abgehakt. Und viele Radfahrer sind unterversichert. Dabei kostet die Versicherung gegen Fahrraddiebstahl im Rahmen der Hausratsversicherung nur wenige Euro mehr – was sich bei teuren Rädern wirklich lohnt.

Radfahren schön und gut – aber so viel Zeit habe ich nicht?

Mit entsprechender Umsicht, guter Streckenwahl und passender Kleidung lassen sich viele Risiken vermeiden. Doch das reicht vielen Menschen nicht; sie gehen an ihrem Rad vorbei und steigen trotzdem ins Auto oder wählen den öffentlichen Nahverkehr. Oft genanntes Argument: die Zeit.

Klar, auf langen Strecken ist das Auto, sind Bus und Bahn deutlich schneller. Doch gilt das auch im Nahverkehr? Nicht unbedingt: Denn das Rad – und damit auch das E-Bike – erlaubt oft Abkürzungen, Staus lassen sich umfahren. Zudem fährt man in 99,99 Prozent aller Fälle exakt von Punkt A zum Ziel B. Ohne endlose Parkplatzsuche. Ohne Umsteigen, Wartezeiten und lange Wege zur Bus-, Straßenbahn- oder U-Bahnhaltestelle.

Gerade in Innenstädten dürfte das flotte E-Bike daher also immer öfter das Wettrennen gegen andere Verkehrsmittel gewinnen.

Die entscheidenden Vorteile: Gesundheit und Agency

Keine Sorge, jetzt kommt nicht der x-te Vortrag über die Notwendigkeit körperlicher Bewegung so, wie das die Gelenke schonende, dafür Muskeln und Herz stärkende Radfahren – obwohl auch E-Bikes diese gesundheitlichen Vorteile bieten: Was sie an Belastung reduzieren, kommt durch längere gefahrene Strecken an anderer Stelle wieder hinzu. Die Supersportler können also aufhören, zu spotten, und lieber wieder für den nächsten Iron Man trainieren. Viel Erfolg!

Der wesentliche gesundheitliche Vorteil des Radfahrens – auch, und vielleicht gerade beim E-Bike – liegt in der Stressreduktion: Die gleichmäßige, aktive Bewegung baut Stresshormone ab, das Dahingleiten ohne Lärm und Staus hat eine enorm entspannende Wirkung. Mal richtig in die Pedale zu treten – der selbsterzeugte Geschwindigkeitsrausch – reduziert zudem Aggressionen.

Zu den körperlichen Aspekten gesinnt sich auch noch ein psychischer: Agency – im Englischen bezeichnet man damit die Möglichkeit und Fähigkeit des eigenständigen Handelns und Entscheidens. Und das ist ein Vorteil, den das E-Bike anderen Verkehrsmitteln gegenüber hat:

Zwar unterstützt uns die (E-)Technik, voranzukommen, und hilft uns, Hindernisse, Steigungen und Strecken zu überwinden, deren wir mit normaler Körperkraft nicht gewachsen wären – doch letztlich sind es unsere Muskelbewegungen, unsere Entscheidungen, die uns voranbringen: Wir haben die volle Kontrolle.

Während uns andere Verkehrsmittel in unseren Möglichkeiten der Kontrolle immer stärker einschränken (wie so vieles in unserer Gesellschaft) – das autonome Fahren im Pkw etwa steht vor dem Durchbruch –, gibt uns das E-Bike genau diese Kontrolle zurück. Das ist ein Vorteil, der zudem einen hohen Suchtfaktor einschließt. Und das ist – aus Umwelt- und Gesundheitsgründen – ja ausnahmsweise nicht verkehrt.

Rebekka Mutschler