Die Gründer der StromDAO haben Großes vor. Das Unternehmen bietet einen Blockchain-basierten Stromtarif und eine Art virtuellen Eigenverbrauch an, der die Finanzierung der Energiewende deutlich ändern könnte. Die Energie-Blockchain ist öffentlich und erste Stadtwerke nutzen sie.
Selbstbestimmung und Demokratie sind die beiden Leitideen, die am prägnantesten das Vorhaben von Thorsten Zoerner und seinen Gründungskollegen der „StromDAO“ beschreiben. Er ist selbst überrascht, wie gut das ankommt. „9.000 Mal wurde im letzten Monat unsere Open-Source-Softwarebibliothek heruntergeladen, mit der Softwareentwickler in ihren Anwendungen unmittelbar unsere Energie-Blockchain nutzen können“, sagt er. Die Frage, wer die eifrigen Nutzer sind, kann er nicht beantworten, auch nicht, wie viele davon wirklich Stromzähler anschließen.
„Unsere Blockchain ist offen“, versichert Zoerner. Jeder könne sie anonym nutzen, egal ob in Afrika für ein netzunabhängiges Microgrid oder in Deutschland für Mieterstrom oder andere Projekte.
Einfach soll die neue Energiewelt dank der smarten Technologien werden. Photovoltaik-Anlagen sollen ohne Bürokratie mit einigen Mausklicks in Betrieb gehen und Abnehmer finden können, Stromkunden im Zweifelsfall täglich den Reststromanbieter wechseln. Da die Daten nicht manipulierbar in der Blockchain gespeichert sind, müssen sie nicht bei jedem Wechsel neu geprüft werden. Vor allem sollen die Verbraucher auch unkompliziert nicht am Haus befindliche Photovoltaik-Anlagen nutzen können, fast als wären sie auf dem Dach. Überschüsse können an andere verkauft werden – gesetzestreu unter Berücksichtigung aller Umlagen und Abgaben. All das vollautomatisch via Blockchain-basierter Abrechnung. Wenn die Kosten verschiedener Erzeuger auf verschiedene Verbraucher gerecht aufgeteilt werden müssen, soll das einfach möglich sein, nämlich ohne dass die Parteien erst ein Jahr lang die Abrechnungskonditionen verhandeln müssen. „Dezentrales Konsenssystem für Energiemärkte“ nennen es die Entwickler daher auch.
Um zu verstehen, wie diese Einfachheit erreicht werden soll, muss man ans Eingemachte gehen. Und man muss von vorne beginnen. Den Anfang mag man auf das Jahr 2014 legen, als Thorsten Zoerner seine Thesen für einen sogenannten Hybridstrommarkt veröffentlichte. Zusammengefasst entwickelt er darin ein Konzept, wie der heutige Energy-only-Markt der Strombörse für den Handel der Reststrommengen und eine Art Kapazitätsmarkt für die erneuerbaren Energien zusammenwirken können. Statt wie auf dem Energy-only-Markt jede Kilowattstunde zu bezahlen, zahlt der Verbraucher die Investition in eine Photovoltaik-Anlage. Bei jedem Hausbesitzer, der eine Photovoltaik-Anlage teilweise für die Eigenversorgung nutzt, ist das ja schon heute der Fall.
Das Eigenverbrauchskonzept, so Zoerners Anliegen, gilt es so zu verallgemeinern, dass es auch für komplizierte Eigentumsverhältnisse in Arealnetzen und letztlich für jeden Verbraucher umsetzbar ist, der irgendwo im Stromnetz Anteile an Erzeugungsanlagen erwirbt. Kompliziert wird vor allem die Erfassung und Abrechnung. „Wenn man es im Kleinen hinbekommt, bekommt man es auch im Großen geregelt“, sagt Zoerner. Die Instrumente seien ähnlich. Im Mehrfamilienhaus nimmt vielleicht die Hälfte der Mieter am Mieterstrom teil. Beim Stromtarif ist der Anteil bezogen auf alle Stromkunden viel geringer. Muss beim Mieterstrom die Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach stehen, kann sie sich bei Zoerners Konzept irgendwo in Deutschland befinden. „Der Hybridstrommarkt ist regulatorisch heute schon umsetzbar, und die StromDAO-Energie-Blockchain schafft die technischen Voraussetzungen dafür“, sagt Zoerners Mitgründer Stefan Thon. Seit Oktober 2016 laufe sie bereits. Sie ist öffentlich, sodass auch andere Unternehmen ihre Anwendungen darauf laufen lassen können.
Für die StromDAO hat Zoerner mit seinen Mitstreitern Stefan Thon, Kirstin Hasberg und Manuel Utz zusammengefunden. Thon hat bereits zuvor mit seinem Start-up Sunride an Mieterstromabrechnungen gearbeitet. Hasberg und Zoerner hatten sich während eines gemeinsamen Workshops bei dem Blockchain-Start-up Gridsingularity kennengelernt. Gridsingularity arbeitet übrigens ebenfalls an einer Blockchain-Plattform für Energieanwendungen. Diese entsteht für eine Organisation, die Energy Web Foundation heißt (siehe pv magazine November 2016, Seite 12).
Der Start: Arealnetze
Letztes Jahr starteten die Gründer zunächst damit, dass sie Strom in teilnehmenden Haushalten mit einem Herkunftsnachweis versehen haben, wenn er zeitgleich mit der Erzeugung in regionalen EEG-Anlagen verbraucht wurde. Dieses „Grünstrom-Jeton“-Konzept sei vergleichsweise einfach, so Thon, da man im Vergleich zu Mieterstrom Energiedaten in einer geringeren zeitlichen Auflösung verarbeiten müsse.
„Wir haben als Nächstes Mieterstrom in einem Haus durchexerziert, mit Strombezug, Photovoltaik-Anlage, Wärmepumpe und Batteriespeicher“, so Thon weiter. Dabei sei ein Baukasten entstanden, mit dem sich die Konzepte als Blockchain-Lösung umsetzen lassen. Wie Energiedaten verarbeitet und abgerechnet werden, ist dort in rund 30 sogenannten Smart Contracts hinterlegt. Das sind Verträge, die auf der Blockchain automatisiert ablaufen, von allen Netzwerk-Nutzern verwendet und verifiziert werden können. Sie haben Namen wie „MPO“ (Meter-Point Operator), „MPR“ (Meter-Point Reading)“, „SettlementFactory“, „StromkontoProxy“ und „DeliveryMux“.
Nach den Herkunftsnachweisen und dem Mieterstromprojekt nahmen sich die Studenten das Arealnetz eines Unternehmens vor, das selbst Strom erzeugt und einen Batteriespeicher nutzt. Der Strompreis, mit dem die Abteilungen des Unternehmens nun abrechnen, richtet sich neuerdings nach dem aktuellen Strommix im Arealnetz, und die Bedingungen dafür sind in den Smart Contracts hinterlegt. Abteilungsleiter seien dadurch motiviert, die Prozesse so zu optimieren, dass sie möglichst geringe Stromkosten haben.
„Wir verkaufen unser Baukastensystem inzwischen an Energieversorger und Stadtwerke, die es in Arealnetzen oder als Mieterstromprojekt umsetzen“, sagt Zoerner. Fünf große Unternehmen hätten sie bereits für Projekte gewonnen, darunter MDax-Unternehmen.
Die Blockchain
Beim derzeitigen Hype-Thema Blockchain kommt irgendwann die Frage, ob sich die skizzierten Aufgaben nicht auch mit anderen IT-Lösungen umsetzen lassen. Zum Beispiel mit einem klassischen Datenbanksystem oder einer klassischen Cloudlösung, die viele Daten verarbeiten kann. Thorsten Zoerner sagt ja. Doch dafür müsse man einen Server laufen lassen, ein System einrichten, nachdem man sich zuvor auf Abrechnungsmodi geeinigt hat. Wenn man auf externe Systeme zurückgreife, müsse man außerdem sicherstellen können, dass diese niemand abschaltet. Solche Systeme einzurichten lohne sich nur für große Projekte. Blockchain-Applikationen seien schlicht weniger aufwendig. Theoretisch ist es möglich, solche Blockchain-Applikationen auf der Ethereum-Blockchain laufen zu lassen, die seit gut zwei Jahren weltweit für Furore sorgt. Doch diese ist für eine Reihe von Anwendungen in der Energiewirtschaft noch zu langsam. Das ist einer der Gründe, warum die StromDAO, so wie eben auch Gridsingularity, eine modifizierte Ethereum-Blockchain aufgebaut hat, die sie Energie-Blockchain nennt und mit Partnern betreiben will (siehe Kasten).
Die Partner können auch die weitere Entwicklung der gesamten StromDAO mitbestimmen. DAO steht für Digital Autonomous Organisation. Vor gut einem Jahr ging der Begriff durch die Presse, als eine solche DAO auf der Ethereum-Blockchain über 100 Millionen Euro an Kryptowährung eingesammelt hat. Smart Contracts regeln dort, wie die Geldgeber mitbestimmen, um das Geld zu verwalten. Das Projekt ist zwar
zweifelhaft verlaufen, da durch einen Softwarefehler gleich wieder 50 Millionen Euro verschwunden sind. Doch Softwarefehler aus der Vergangenheit lassen sich in Zukunft ja vermeiden.
Auf der Internetseite der StromDAO kann jeder Besucher Stimmrechte kaufen. Dadurch soll Geld eingeworben werden, 80 Prozent davon fließen auf ein gesperrtes Ether-Treuhandkonto auf der Blockchain. Die vier Gründer, die gleichzeitig die offizielle Rolle der Kuratoren einnehmen, können online zur Abstimmung stellen, ob dieses Geld für bestimmte Investitionen benutzt werden darf. Ein Smart Contract regelt dann die Freigabe.
Und der Stromtarif
Die nach außen sichtbarste Schöpfung, der Stromtarif für jedermann und jederfrau, war zunächst mehr eine Testplattform für die Ideen der Gründer. Für rund 10.000 Euro kann jeder seinen eigenen Stromtarif aufsetzen, schrieb Thorsten Zoerner in seinem Blog „stromhaltig“ bereits letztes Jahr. Für diese Summe sei es möglich, einen Dienstleister zu finden, der alle nötigen Aktionen abwickelt, von den Prozessen bei der Rechnungsstellung bis zum energiewirtschaftlichen Bilanzkreismanagement. „Das ideale Konstrukt würde eine Art Einkaufsgemeinschaft sein. Eine Vielzahl von Stromkunden schließt sich zusammen, bildet einen Stromanbieter und betreibt diesen in Zukunft selbst“, so schrieb Zoerner weiter.
Zusammen mit dem Stadtwerke Energieverbund bietet die StromDAO nun ihren eigenen solchen Tarif an. Um ihn zu nutzen, muss der Kunde die entsprechenden Zähler einbauen lassen. Sie stammen von Discovergy, einem Start-up aus dem Westen Deutschlands. Discovergy betreibt die Messstelle und hat eine Schnittstelle, mit der die Werte aus seiner Datenbank in die StromDAO-Blockchain gespielt werden können. In Zukunft sollen die Zähler aber auch direkt mit einer Schnittstelle ausgestattet werden, sodass Verbraucher die Daten direkt hochladen lassen können.
„Jetzt zeigt sich, dass wir damit in Kürze auch Hybridstrom realisieren können“, erklärt Thon. So können Verbraucher aus Berlin im Prinzip irgendwo im umliegenden Brandenburg eine Fünf-Kilowatt_Anlage kaufen oder einen Fünf-Kilowatt-Anteil an einem Solarpark. Wenn im Berliner Haus zeitgleich zur Einspeisung in Brandenburg Strom verbraucht wird, wird dieser Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage geliefert.
Das ist mehr als eine Spielerei. Solch ein „Shared-Investment“-Ansatz für Haushalte und Unternehmen gehe weit über Mieterstromkonzepte hinaus, sagt Jens Strüker, Süwag Stiftungsprofessor an der Hochschule Fresenius in Frankfurt. „Man erreicht eine extrem hohe Auslastung verteilter Erzeugungsanlagen und verteilt das Risiko auf den Investor, der eben auch Verbraucher ist.“ Wie eben bei originärem Eigenverbrauch, nur dass das neue Konzept örtlich unabhängig und in deutlich größerem Maßstab und effizienter möglich ist. Bislang habe man sich vor allem mit Konzepten zur Integration von Erneuerbaren in Spot- und Regelenergiemärkte beschäftigt. „Langfristige Strombezugsverträge in Form von Shared Investments umzusetzen könnte sich als eine hocheffektive Form der Marktintegration von Erneuerbaren erweisen“, so Strüker.
Steuern und Abgaben auf den „Hybridstrom“ führt der Stadtwerke Energieverbund ordnungsgemäß ab und schreibt sie mit auf die Rechnung für den Verbraucher. Um die Photovoltaik-Anlagen einzubinden, fänden gerade Gespräche mit einem Direktvermarkter statt. Er muss bereit sein, die Erzeugungsdaten in die Blockchain zu spielen und aus der Blockchain die Verbrauchsdaten auszulesen, sodass er den virtuellen Eigenverbrauch nicht auch noch an der Börse vermarktet.
Obwohl Abgaben und Umlagen abgeführt werden müssten, sei der Solarstrom aus der eigenen Anlage im Umland günstiger als „normaler“ Netzstrom, da dafür keine Vertriebskosten anfallen, so Thon. „Bei zehn Cent Stromgestehungskosten der Photovoltaik-Anlage ist das schon wirtschaftlich, wenn man es über 25 Jahre betreibt.“ 25 Jahre sind eine lange Zeit. Doch Photovoltaik wird günstiger, und das Geschäftsmodell wird sich weiterentwickeln. Man könnte denken, dass das zu einem Einnahmeausfall beim Versorger führt. Die Frage ist, ob die geringeren Einnahmen bei ihm auch einem geringeren Aufwand gegenüberstehen. Doch die Versorger seien zufrieden, so Thon, weil sie mit dem Projekt viele Zählpunkte, Erzeuger, Vertriebspartner und Endkunden gewinnen. Auch sie müssen sich in der neuen digitalen Energiewelt neue Rollen suchen. In diese Richtung argumentiert auch Jens Strüker: „Für den Versorger ist dieser Ansatz ungemein vielversprechend“, sagt er, „weil er hilft, die Kundenschnittstelle zu sichern.“ Diese gerate aus mehreren Richtungen unter Beschuss. Nicht nur von anderen Batteriespeicherherstellern, wie es in der Solarbranche oft diskutiert wird, sondern auch von Giganten wie GE, Siemens oder Bosch mit Internet-of-Things-Konzepten. Diese Unternehmen wollen über Geräte in Unternehmen und Haushalten diese Kundenschnittstelle besetzen.
Der Stadtwerke Energieverbund, mit dem die StromDAO zusammenarbeitet, ist eine Art Bindeglied zwischen alter und neuer Energiewelt. Gegründet von acht kleineren Stadtwerken, planen Geschäftsführer Jochen Grewe und seine Mitarbeiter, wie man in Zukunft Kunden gewinnen kann, „ohne dass sich gleich ein ganzer konventioneller Energieversorger damit beschäftigen muss“. Ein klassischer Ansatz also, um Innovation in bestehenden Strukturen voranzubringen.
Stadtwerke Energieverbund nutzt die Energie-Blockchain
Ihm gehe es darum, so Grewe, Kundenwünsche zu erfüllen. Daher hat er als Erstes ein SAP-System so programmieren lassen, dass es die Abrechnung für flexible Stromtarife zulässt. Bei der Frage, ob Blockchain-Systeme auch diese Aufgabe übernehmen werden, ist er skeptisch. Der Vorteil von Blockchain-Systemen sei zwar, dass man gezwungen sei, Prozesse besser zu durchdenken, und dass sie dann ein für allemal in Smart Contracts fixiert seien. „Das kann spätere Diskussionen ersparen“, sagt Grewe. Er sieht aber nicht, dass in diesem Bereich bei Versorgern noch eine große Kostenersparnis möglich sei. Außerdem seien SAP-Systeme etabliert und zum Beispiel auch von Finanzämtern akzeptiert.
Die Blockchain-Lösungen sieht er vor allem in zwei anderen Feldern: zum einen dort, wo es um Tauschgeschäfte geht, bei denen der Energieversorger nur der Mittelsmann ist. Zusammen mit Smart Metern ist es damit möglich, mit sehr geringen Transaktionskosten Umlagen und Abgaben abzurechnen – so wie es im Hybridstrommodell der StromDAO geschehen soll. Grewe arbeitet mit der StromDAO auch zusammen, um eigene Modelle umzusetzen. Er will mithilfe der Blockchain das Laden von E-Bikes oder Elektroautos vereinfachen und Mieterstrom abrechnen. Zum anderen lässt er gerade ein System aufsetzen, das es Verbrauchern auch bei klassischen Stromtarifen erlaubt, ihren jeweils aktuellen Stromverbrauch bezogen auf einen definierten Zeitraum direkt mit den Preisen zu bewerten, und so dem Kunden aufzeigt, wie sich seine Stromkosten entwickeln. Nutzt man dazu sogar einen Smart Meter, so kann man unmittelbar erkennen, wie sich Verbrauchsmuster ändern und direkten Einfluss auf die Stromrechnung nehmen. Die Bezahlung der verbrauchten Strommenge könnte dann sogar täglich erfolgen und damit die bisherigen Abschlagspläne ersetzen.
Große Hoffnungen macht sich Thon für die Zeit nach 2020, wenn die in den 2000er-Jahren gebauten Photovoltaik-Anlagen nach und nach 20 Betriebsjahre hinter sich haben und der eingespeiste Solarstrom nicht mehr extra vergütet wird. Damit diese Anlagen nicht abgeschaltet und gegebenenfalls repariert werden, ist für sie ein funktionierendes Geschäftsmodell nötig. Die derzeit an der Börse erlösbaren zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde reichen dafür nicht aus. Dafür sind eher rund zehn Cent pro Kilowattstunde nötig, die nach Thons Ansicht mit dem Hybridstrommodell erreichbar sind.
Für Thon ist klar: „Vom Mieterstrom zum Hybridstrom ist ein Quantensprung.“ Noch attraktiver wird das Konzept, wenn die staatliche Regulierung Netzentgelte von der Entfernung abhängig macht. Das sieht auch Grewe so. Die vermiedenen Netzentgelte, wenn beispielsweise das Übertragungsnetz gar nicht genutzt werde, sondern der Strom nur durch das Verteilnetz fließe, müssten für den Verbraucher und nicht für den Netzbetreiber von Vorteil sein. Dann ließe sich die Dezentralität der Photovoltaik-Anlagen auch wirtschaftlich nutzen, wenn die Hybridstromanlagen in der Region stehen. Dieses Modell könne man auch auf Windkraftanlagen übertragen, sodass die Bürger in unmittelbarer Nähe zu einem Windkraftwerk sich an diesem sowohl beteiligen als auch den dort produzierten Strom abnehmen können sollten. Damit würde man weiter die Akzeptanz der Energiewende erhöhen. Doch der Weg dahin ist weit. Wenn Netzentgelte verursachergerecht abgerechnet würden, könnten sie zwar die Stromversorgung besser steuern, aber gleichzeitig würden die Stromkosten für manch anderen Abnehmer steigen. Zum Beispiel für einige Industriebetriebe, was auch nicht immer erwünscht ist. „Die Blockchain-Technologie eröffnet die Chance offenzulegen, was Strom tatsächlich kosten muss und darf“, sagt Grewe.
StromDAOs eigene Energie Blockchain
Die eigene Energie-Blockchain soll möglichst wenig Ressourcen benötigen, Transaktionen schnell abwickeln können und trotzdem nicht manipulierbar sein. Dazu gibt es sogenannte „Authority Nodes“, das sind eine Handvoll Server, die Transaktionen beglaubigen. Wenn beispielsweise ein Smart Meter, das über die Applikation mit dem Namen „StromDAO Business Unit“ angeschlossen ist, fünf Kilowattstunden Erzeugung meldet, wird automatisiert über einen Smart Contract auf einem Teil dieser Server diese Strommenge registriert, erfasst und die damit verbundene Aktion wie zum Beispiel eine Abrechnung in Gang gesetzt.
Die Verifikation und Bestätigung der Transaktionen erfolgt nach dem „Proof-of-Authority“-Konzept. Eine bestimmte Anzahl an Transaktionen wird wie bei allen Blockchains in einem Block zusammengefasst und abgespeichert. Die Mehrheit der Authority Nodes muss absegnen, dass dieser Block so richtig ist.
Das ist genau die Veränderung zur wohl bekanntesten Blockchain, auf der Smart Contracts laufen, der Ethereum-Blockchain. Dort wetteifern Miner gegeneinander, solche Blöcke als Erstes zu verschlüsseln, und am Ende müssen die anderen das Ergebnis übernehmen. Damit der Wettstreit entschieden werden kann, wird er dort künstlich erschwert, was die Transaktionen verlangsamt. Die Ethereum-Miner werden mit Auszahlungen in der Kryptowährung Ether für ihren Eifer belohnt. Für sie ist es ein Geschäftsmodell, und mit dem Erlös finanzieren sie ihre Server.
Die StromDAO arbeitet zwar auf der Basis der Ethereum-Blockchain, nutzt aber eigene Server und das andere Validierungskonzept. Idealerweise werden darin die statt der Miner vorgesehenen Authority Nodes von Partnern betrieben, die ein Interesse an der Blockchain haben und sie ohne Belohnung betreiben, weil sie damit ihre Projekte abwickeln. Einen solchen Partner gebe es bereits, sagt Thon. Dadurch, dass die Partner selbst mitmachen, sichern sie zum einen mit ab, dass nicht manipuliert wird. Zum anderen sichern sie sich den Zugriff darauf und kontrollieren, dass die Plattform nicht einfach irgendwann abgeschaltet wird. Die Partner müssen anders als die Miner bei Ethereum nicht gegeneinander antreten, daher benötigt man keine künstlichen Hürden und die Energy Blockchain funktioniert schneller.
Transaktionszeit ist entscheidend
Die Transaktionszeit und die Skalierbarkeit sind die Eigenschaften, bei denen sich die neuen Blockchains beweisen müssen. Ebenso, wen sie als Partner, als „Authorities“ gewinnen. Denn eine „private“ Blockchain ohne die entsprechenden Partner kann zwar immer noch Vorteile haben, hat aber nicht die Eigenschaft, dass sie gegen Manipulation gut gefeit ist.
Die Transaktionszeit bei der StromDAO sei nun so kurz, dass jeden Tag mehrere Tausend Buchungen vorgenommen werden können, sagt Zoerner. „Das reicht fürs Erste.“ Und wenn mehr Transaktionen nötig werden, können die Partner die Blockchain beschleunigen. Neue Partner werden nach Mehrheitsprinzip als „Autoritäten“ aufgenommen, natürlich vollautomatisiert per Smart Contract. Außerdem können Autoritäten sich die Aufgaben untereinander aufteilen, solange sie sich vertrauen. Alle in der Blockchain Aktiven können die Arbeit der Autoritäten kontrollieren.