Dein Auftritt, NFT!

Dokumentation, Eigentumsnachweis und Emissionshandel in der E-Mobilität – Teil III

Auf dem Weg hin zu einem effektiven und für alle zugänglichen Handelssystem für CO2-Emissionsrechte sind verschiedene Herausforderungen zu überwinden. So benötigen wir etwa einen eineindeutigen Eigentumsnachweis. Und wir müssen Einsparungen bzw. Emissionen in handelbare „immaterielle Güter“, bzw. in digitale Assets umwandeln. Die vielversprechendste Methode dazu sind Blockchains und NFTs. Doch wie kann das in der Praxis aussehen? Wir zeigen euch zwei Beispiele. Doch zunächst werfen wir einen Blick in den Kunsthandel.

Einmalige digitale Kunstwerke – dank NFT?

Schon Anfang der Dreißigerjahre fragte sich der Philosoph Walter Benjamin angesichts der rasanten Fortschritte in der Fotografie, was wohl mit dem „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ geschähe – ob seine von der Einmaligkeit gespeiste Aura wohl einen Schaden nähme. Nun, in unserem Zeitalter der beinahe vollständig virtuell reproduzierbaren Erfahrungen ist die Einmaligkeit weiterhin ein hohes Gut. Die Menschen haben erkannt, dass eine noch so gute Reproduktion das Original eines Kunstwerks nicht ersetzen kann: Sie pilgern zu Tausenden in die Ausstellungen zu Van Gogh, Rembrandt oder Vermeer. Oft genug tun sie dies übrigens, um sich dann selbst in diesem Augenblick der Begegnung mit dem Original zu fotografieren oder zu filmen – und so den Moment zu reproduzieren und für andere via Social Media beneidbar zu machen.

Nun, das war es nicht, was Benjamin mit dem kontemplativen Versenken in die Aura der Einmaligkeit eines Kunstwerks gemeint hatte. Und heute stellt sich die Frage der Einmaligkeit in der Kunst noch aus einem ganz anderen Blickwinkel – dem juristischen nämlich: Digitale Kunstwerke lassen sich im Prinzip beliebig reproduzieren. Man könnte sogar sagen: Sie leben einzig in der Reproduktion. Und oft ist es schon schwierig genug, so etwas wie Eigentumsverhältnisse herzustellen oder zu dokumentieren, wenn das Kunstwerk – ein Bild, ein Video, ein E-Book – dafür geschaffen wurde, reproduziert (und dann verkauft) zu werden. Doch ein wirklich einmaliges digitales Kunstwerk, von dem idealerweise nur eine Kopie existiert und das auch nur einen Eigentümer hat – das schien lange ein Ding der Unmöglichkeit.

Dann kam die Blockchain. Und mit ihr die genaue und zuverlässige Dokumentation der Eigentumsverhältnisse digitaler Assets. Und was ist ein digitales Kunstwerk anderes als ein Asset?

Allein, es ergaben sich zwei Probleme: Zum einen ist die Blockchain auf die Verwaltung von Crypto-Währungen ausgerichtet – die einzelnen Chains lassen sich beliebig teilen. Das wäre bei einem digitalen Kunstwerk nicht möglich: Es muss stets als Ganzes bestehen bleiben.

Zum anderen sind Crypto-Währungen austauschbar: Peters Bitcoin ist immer und überall so viel wert wie Pauls Bitcoin. Peter und Paul könnten sie also beliebig austauschen. Auch das ist bei Kunstwerken nicht möglich: Ein Bild des Eiffelturms ist eben nicht so ohne Weiteres gegen ein Bild der Golden Gate Bridge austauschbar. Und wer beispielsweise einen Eintrittsplatz zu einem virtuellen Konzert von Metallica kauft, will dann ja auch nicht unbedingt Modern Talking hören.

Die Lösung? Eine neue Klasse der digitalen Assets – unteilbar, nicht austauschbar: Die NTFs.

NFT steht für Non-Fungible Token – nicht austauschbares Token. Token ist dabei der Schlüssel zu unserem unteilbaren digitalen Asset. Und „nicht austauschbar“ dürfte selbsterklärend sein.

Damit gibt es (zumindest rechtlich) einmalige digitale Kunstwerke, die sich auch so handeln lassen – eine Option, die inzwischen viele Künstler nutzen: für Bilder, individuell signierte E-Books oder sogar für Eintrittskarten in virtuelle Events. Und die noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten hat – zum Beispiel im Lieferkettenmanagement, wenn es darum geht, ein spezielles Produkt nachverfolgbar zu machen bzw. die jeweils aktuellen Eigentumsverhältnisse zu klären.

NFT und CO2

Moment! Ein unteilbares, nicht austauschbares digitales Asset, dessen Eigentumsverhältnisse sich via Blockchain lückenlos dokumentieren lassen? Das ist doch genau das, was wir für die Dokumentation von CO2-Emissionen und Einsparungen brauchen, oder?

Zu Erinnerung: Wir benötigen zur Dokumentation nicht nur die emittierten oder eingesparten Mengen CO2 und wem diese gehören, sondern auch Ort und Zeitpunkt. Das ist aus Gründen der Transparenz erforderlich: Zwanzig Kilogramm Emissionen aus Deutschland und dreißig Kilogramm aus Namibia sollen ja nicht plötzlich zu fünfzig Kilo unklarer Herkunft werden, um beispielsweise zu vermeiden, dass die Industrieländer als die größten Verschmutzer ihre CO2-Emissionen einfach in die emissionsarmen Entwicklungsländer verklappen und auf dem Papier als besonders umweltfreundlich dastehen – während beispielsweise ein ökologischer Vorzeigestaat wie Botswana zur virtuellen Umweltsau mutiert.

Würden wir, wie gesehen, die Emissionen und Einsparungen behandeln wie virtuelle Währungen, müssten wir letztlich unendlich viele orts- und zeitpunktabhängige Unterwährungen mit äußerst unklaren Wechselkursen schaffen. NFTs können dieses Dilemma nun beheben. Doch wie kann das in der Praxis aussehen?

Ein erster einfacher Anwendungsfall: Dokumentation von CO2-Emissionen beim Stromverbrauch

Nach dem Lieferkettengesetz sind seit Beginn des Jahres 2023 noch mehr Unternehmen dazu angehalten, ihre CO2-Emissionen transparent zu dokumentieren. Das gestaltet sich beim Stromverbrauch nicht ganz so einfach. Die Unternehmen mögen zwar ihre Elektrizität von einem Anbieter beziehen, der vorrangig „grün“ oder „öko“ liefert – doch der jeweils aktuelle Strommix im Netz wird von anderen Faktoren bestimmt und der Anteil grüner Energie schwankt teilweise äußerst stark. Umgedreht kann aber ein fertigendes Unternehmen nicht unbedingt auf einen ökologisch besonders günstigen und emissionsarmen Mix im Netz warten, um energieintensive Prozesse anzustoßen. Für eine korrekte und transparente Dokumentation muss das Unternehmen also den Stromverbrauch und die jeweils damit verbundenen Emissionen zeitlich aufschlüsseln. Klingt kompliziert? Ist es nicht. Die Daten zum Strommix werden ohnehin erfasst und lassen sich nach Postleitzahlregionen einfach nachschlagen. Diese Informationen nutzt auch der Corrently GrünstromIndex.

Doch Nachschlagen und rechtsgültige Dokumentation sind zweierlei Dinge. Man kann sich etwa folgenden Dialog vorstellen:

Unternehmen: „So, für die Produktion dieser Produktserie habe ich am 22. und 23. 1. 2023 an meinem Standort in X Y Kilowattstunden Strom verbraucht. Das entspricht Z Kilogramm Emissionen.“

CO2-Buchprüfer: „Woher weißt du das?“

Unternehmen: „Ich habe es nachgeschlagen.“

CO2-Buchprüfer: „Ehrenwort? Du hast da nicht einfach irgendwas reingeschrieben, was halbwegs plausibel klang?“

Nun wäre es gut, wenn das Unternehmen genau dieses Nachschlagen rechtssicher nachweisen könnte. Kein Problem, wenn sich der Nachschlage-Vorgang selbst mit einem NFT dokumentieren lässt. Das belegt dann nicht nur, dass das Unternehmen wirklich nachgeschaut hat – der Nachschlagevorgang lässt sich über das Token ganz leicht reproduzieren und einsehen. Der CO2-Buchprüfer kann sich selbst von der Richtigkeit der Angaben überzeugen.

Klingt nach Zukunftsmusik? Bald nicht mehr. STROMDAO-CTO Thorsten Zoerner arbeitet genau an solch einer Anwendung. Wir werden darüber berichten, wenn sie online geht.

Doch wenden wir uns nun der eigentlichen Herausforderung zu: der Dokumentation von konkreten Emissionen und Einsparungen in der E-Mobilität.

Der NTF-Beleg von der Stromtankstelle

Der eine oder andere Leser mag sich noch erinnern: In der grauen Vorzeit dieser Artikelserie (genauer: in der ersten Folge) wollten wir eigentlich das Problem lösen, wie sich die bei einem „Tankvorgang“ entstehenden bzw. eingesparten CO2-Emissionen dokumentieren und damit sinnvoll handelbar machen lassen – auch jenseits der Pauschalabrechnung über das Umweltministerium. Die Antwort auf diese Frage lautet natürlich: NFTs!

Na prima, könnte man jetzt sagen und sich zufrieden die Hände reiben: Ich kriege beim Tankvorgang doch ohnehin einen Beleg. Ort und Datum enthält der schon. Packen wir da einfach noch die Emissionen/Einsparungen drauf und backen uns daraus ein NFT, an den wir als Transaktion unseren Eigentumsnachweis anhängen. Fertig!

Ganz so einfach ist es leider nicht. Da wäre zum einen die Notwendigkeit, der Eigentumsübertragung auch zuzustimmen. Die ist ja notwendig, um ein neues Kettenglied in der Blockchain zu erstellen. Außerdem lassen sich die Daten, sind sie einmal in der Chain, nicht mehr ändern. Wir sind also gut beraten, genau zu überprüfen, was da eigentlich drinsteht – und zwar BEVOR das NFT-Kettenglied geschmiedet wird.

Habt ihr schon mal nach einem Supermarkt-Einkauf festgestellt, dass ein Produkt doppelt gescannt wurde, und ihr musstet reklamieren? Der Aufwand ist nicht unbeträchtlich. Oftmals muss dazu der Filialleiter mit dem Kassenschlüssel gerufen werden. Dann wird der Artikel auf einem Extra-Beleg zurückgebucht und ihr erhaltet eine Auszahlung. Bei einem NFT, das ja per definitionem nicht mehr änderbar ist, wird es noch komplizierter. Im Grunde müsste ein komplett neuer Vorgang mit einem weiteren NFT erstellt werden, dann müssten die Werte überprüft werden etc. etc.

Also muss die Überprüfung vor dem Erstellen des NFTs geschehen. Dazu erhält der Kunde nach dem Ladevorgang erst einmal einen Interimsbeleg, den er überprüft und dem er explizit zustimmen muss. Erst wenn diese Zustimmung erteilt ist, erzeugt das System einen signierten und damit gültigen Beleg, der dann auch ein NFT erhält. Erst jetzt sind wir am Ziel.

Solche Systeme sind aktuell am Entstehen. Und würde es euch wundern, dass STROMDAO genau daran (mit-)arbeitet?

Eine dergestalt fälschungs- und manipulationssichere sowie datenschutzkonforme Dokumentation von Emissionen und Einsparungen für die E-Mobilität ist also bald verfügbar. Doch können wir uns dann fröhlich in den freien Emissionshandel stürzen? Nein, zumindest noch nicht. Das hat aber keine technischen Gründe (ein entsprechender Marktplatz ließe sich leicht aufsetzen), sondern rechtliche.

Einstweilen wird aber schon die Dokumentation der Einsparungen für die Pauschalabrechnung durch das BMU deutlich einfacher. Die Daten lassen sich einfach und automatisiert in das notwendige Excel-Sheet kopieren – das dann ausgedruckt und per Post ans BMU geschickt wird. Und nein, das ist kein Scherz. Hat da jemand „Digitalisierung in Deutschland“ gerufen?

Grundlagentechnologie NFT: Basis für noch mehr Innovationen im Emissionsmanagement?

So viel ist hoffentlich in den drei Artikeln dieser Serie klar geworden: Blockchains und NFTs sind ein mächtiges Tool, die eine vielseitig einsetzbare, rechtssichere Dokumentation von Emissionen und Einsparungen erlauben. Mit dem „NFT-Beleg von der Stromtankstelle“ ist zumindest schon mal die Datenbasis für einen möglichen Handel im Entstehen.

Nun seid ihr gefragt, liebe Leserinnen und Leser: Wir möchten von euch nicht nur wissen, ob ihr noch mehr zu diesen Themen erfahren wollt. Sondern: Welche Ideen habt ihr? Wie könnten wir Blockchains und NFTs noch einsetzen, um das Energie- und Emissionsmanagement noch effizienter zu gestalten? Schreibt uns! Wir sind gespannt auf eure Vorschläge.