KI in der Stromwirtschaft - Teil 1
Ein Dialog mit Gemini & Co.
Künstliche Intelligenz, AI, KI, Machine Learning, Massive Data Processing, Neuronale Netzwerke: Kaum ein Produkt, eine Dienstleistung kommt heute noch ohne diese Buzzwords aus. Das ist auch in der Energiewirtschaft nicht anders. Doch ist künstliche Intelligenz mehr als nur ein Marketing-Hype? Ist wirklich überall künstliche Intelligenz drin, wo künstliche Intelligenz draufsteht? Und welche Einsatzmöglichkeiten, welche Herausforderungen bringt künstliche Intelligenz mit sich? Darüber haben wir mit einem Experten gesprochen – der Google KI Gemini. Außerdem stellen wir euch vor, wo wir bei STROMDAO wirklich KI einsetzen: Ihr werdet überrascht sein.
Und da steckt wirklich überall KI drin?
Abbildung 1: Erstellt mit Firefly, Prompt: "Eine künstliche Intelligenz baut ein Stromnetz"
Die Stromwirtschaft ist ja verwöhnt von zumindest intelligent anmutenden Ansätzen für den Umgang mit Daten: Smart Meter erfassen den Verbrauch unseres Smart Homes, den das Smart Meter Gateway an die Lieferanten und Betreiber des Smart Grid ausliefert. Und auch mit KI-Buzzwords werden wir aktuell beworfen: Gefühlt gibt es aktuell kein neues Konzept zur Netzverwaltung, zum Aufbau von virtuellen Kraftwerken und Stromkollektiven, zum Energiemanagement in Unternehmen und Eigenheimen, das nicht den Einsatz künstlicher Intelligenz verspricht.
Entsprechend optimistisch äußert sich dann auch Gemini zu den Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz in der Stromwirtschaft:
Die Energiewende und die Digitalisierung stellen zwei zentrale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Um diese zu bewältigen, kommt Künstlicher Intelligenz (KI) eine Schlüsselrolle zu. Besonders im Strommarkt kann KI zu einer effizienteren, nachhaltigeren und flexibleren Energieversorgung beitragen.
Optimierte Stromerzeugung: KI-Algorithmen können riesige Datenmengen aus Sensoren, Kraftwerken und Wettervorhersagen analysieren, um die Stromerzeugung in Echtzeit zu optimieren. Dies ermöglicht eine Anpassung der Produktion an den Bedarf und eine effizientere Integration von erneuerbaren Energien.
Intelligente Netze: KI unterstützt „Smart Grids“ durch die Identifizierung von Engpässen im Netz und die Einleitung entsprechender Gegenmaßnahmen. Dies führt zu einer höheren Stabilität und Effizienz des Stromnetzes und erleichtert gleichzeitig die Integration dezentraler Erzeugungsanlagen.
Nachhaltige Energielösungen: KI kann bei der Entwicklung neuer, nachhaltiger Energielösungen wie intelligente Energiespeicher oder innovative Kraftwerkskonzepte helfen.
Effizientes Energiemanagement: KI-basierte Systeme unterstützen Verbraucher bei der Optimierung ihres Energieverbrauchs und der Senkung von Kosten. So kann z. B. die Steuerung von Haushaltsgeräten oder die Anpassung der Raumtemperatur auf Basis von Nutzerverhalten und Wetterdaten erfolgen.
Wenn der Autor dieses Artikels so etwas liest, drängt sich ihm immer wieder die Variante eines Witzes auf: Woran erkennt man, dass der Text mit KI geschrieben wurde? Er ist knapp, präzise und vollkommen nutzlos. Mit Verlaub, meine liebe Gemini: Dieser Text ist ein einziger gigantischer Allgemeinplatz!
Nun, vielleicht war auch der Prompt (also die Frage) nicht so klug wie gedacht. Daher sollten wir uns (und Gemini) erst mal fragen:
Was ist das eigentlich, diese künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz (KI), auch artifizielle Intelligenz (AI) oder Machine Intelligence genannt, ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Automatisierung intelligenter Verhaltensweisen und dem maschinellen Lernen befasst.
KI-Systeme können aus Daten lernen, Muster erkennen, Entscheidungen treffen und Probleme lösen – ähnlich wie Menschen. Sie tun dies mithilfe verschiedener Techniken wie:
· Regelbasierte Systeme: Diese befolgen vordefinierte Regeln.
· Maschinelles Lernen: Hierbei lernen Systeme aus Daten, indem sie Muster und Korrelationen erkennen.
· Tiefes Lernen: Diese Systeme verwenden neuronale Netze, um komplexe Muster in Daten zu identifizieren.
Gemini fährt dann damit fort, einige Anwendungsbeispiele zu nennen, um abschließend vor den Gefahren der KI zu warnen und zu bewusstem Einsatz nach ethischen Grundsätzen aufzurufen. Offenbar befanden sich unter den Trainingsdaten auch zahlreiche Kirchentagsreden.
Doch wirklich klüger sind wir auch jetzt nicht: Dass Computer den Menschen Denk- und vor allem Rechenaufgaben abnehmen, ist ja nichts Neues. Auch nicht, dass sie darin besser sind als wir. Dass Maschinen mittels stochastischer und statistischer Methoden etwa aus Daten Erkenntnisse gewinnen, ist gleichfalls ein alter Hut. Genau dafür wurden Computer ja mal erfunden. Daran ändert auch die zunehmende Leistungsstärke der Prozessoren nichts. Und auch Entscheidungsprozesse können Computer seit langen ausführen: Bereits 1947 steuerte der erste elektronische Autopilot eine C-54 Skymaster autonom über den Atlantik – vom Start bis zur Landung.
Was also macht die aktuellen KI-Systeme so besonders? Nun, sie werden immer selbstständiger. Und die Ergebnisse immer offener, da die Systeme, wie wir Menschen, lernfähig sind, ohne dass man sie neu programmieren muss.
Sind frühere, regelbasierte Systeme zum Beispiel in der Lage, eine Nadel in einem Heuhaufen zu finden (dazu braucht man nur die Definition des Unterschieds zwischen Nadel und getrocknetem Halm und ausreichend Geduld und Zeit; oder wahlweise einen Magneten, der stark genug ist), kann ein KI-System das Datenäquivalent eines Heubergs vorgesetzt bekommen und mit einer entsprechenden Frage selbstständig ermitteln, welches darin enthaltene Element nicht zu den anderen passt.
Kurz gesagt: KI-Systeme benötigen keine fixe Programmierung, also keine starren Regeln mehr, sondern vor allem möglichst viele Daten und eventuell ein paar Anweisungen (Prompts), was sie damit anfangen sollen, wenn sie nicht gleich ganz offen an die Sache herangehen.
Und damit wären wir bei der Stromwirtschaft. Daten haben wir ja reichlich und genug, zum Beispiel …
· Verbrauchsdaten
· Erzeugungsdaten
· Netzlastdaten
· Strompreisdaten
· und mehr
Und das sind nur die Daten, die wir direkt erfassen. Hinzu kommen Informationen wie …
· Wetter-Daten
· Konjunkturdaten
· Verkehrsdaten
· Und vieles mehr
Für einen Menschen (oder selbst für eine Gruppe von Menschen) dürfte es kaum mehr möglich sein, da den Überblick zu behalten und mehr als sehr allgemeine Muster à la „Wenn die Sonne scheint, heizen die Menschen weniger und wir haben mehr PV-Output“ zu erkennen. Aber für Maschinen, die jedes einzelne Datum unter die Lupe nehmen und zu allen anderen in Relation setzen können? Das klingt doch alles nach einer idealen Spielwiese für künstliche Intelligenz, oder?
Wirklich? Um darauf eine Antwort zu finden, lohnt es sich, einmal einen Blick auf den Unterschied zwischen „Smart“ und „Intelligent“ zu werfen.
Smart vs. Intelligent
Im Umfeld der Energieversorgung sprechen wir viel von „Smart“: Smart Grid, Smart Meter, Smart Home. Aber selten sprechen wir von Intelligenz, denn davon grenzt sich „smart“ ab – genau wie im richtigen Leben:
Wir alle kennen den hyperintelligenten Menschen, der komplexe technische und/oder philosophische Konzepte nicht nur verstanden hat, sondern auch erklären kann – aber daran scheitert, Kaffee zu kochen oder sich für ein Mittagessen zu entscheiden.
Und wir kennen gleichfalls auf den ersten Blick nicht besonders hellen Menschen, der sich aber im Umgang mit der Welt und seine Mitmenschen besonders geschickt anstellt und so Erfolg hat: der clevere Verkäufer etwa, der euch davon überzeugt, für euer neues Auto etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen.
Ein Beispiel gefällig? Dann sei euch die Serie „The Good Place“ ans Herz gelegt: Das zentrale Paar, Chidi und Eleanor, sind die Verkörperung dieser Menschen.
https://www.youtube.com/watch?v=Uzsa1Nc4CaM
Nun, wie lässt sich der Unterschied genauer beschreiben? Intelligenz ist vielleicht am besten charakterisiert „Motorleistung“ eines Gehirns; Smartness ist hingegen das Getriebe: Sie sorgt dafür, dass die PS auch auf die Straße kommen. Der smarte, bauernschlaue Mensch mal also keinen allzu starken Motor haben – aber er kann seine Fähigkeiten produktiv umsetzen.
Aber kommen wir zurück zu IT-Systemen. Ein System ist dann smart oder intelligent, wenn es Daten erfasst, verarbeitet und daraus Erkenntnisse und Entscheidungen ableitet, ohne dass wir eingreifen müssen.
Ein smartes System ist jedoch starr und eingeschränkt. Es liefert zwar automatische Hinweise und trifft automatische Entscheidungen: „Wenn die Außentemperatur über 25 Grad steigt, schalte die Klima-Anlage ein.“ – „Hey, Nutzer, dein PV-Akku ist voll und die Sonne scheint. Wäre eine gute Idee, jetzt deine Waschmaschine anzuwerfen.“
All das richtet sich jedoch nach streng vorgegebenen Regeln, die in einer starren Matrix von Parametern gelten und nur ein bestimmtes Set von Outcomes zulassen. Damit sind smarte Systeme zwar in ihrem Einsatz letztlich begrenzt, haben aber einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie können zumindest in den zugrunde liegenden Parametern nur richtig liegen. Nun mag (siehe obiges Beispiel) die Außentemperatur bei einem Hausbrand über 25 Grad steigen. Aber das fällt schlicht nicht in die Zuständigkeit des Systems. Und ob die Klimaanlage dann anspringt oder nicht, dürfte in diesem Fall auch irrelevant sein.
Intelligente Systeme basieren hingegen auf Daten und mal mehr, mal weniger stark gesteuertem Training. Zur Illustration haben wir einmal Gemini und ChatGPT mit dem exakt gleichen Prompt gebeten, in einem Satz den Unterschied zwischen „smart“ und „intelligent“ zu erklären.
Dies ist die Antwort von Gemini:
Intelligent beschreibt die angeborene geistige Fähigkeit, Wissen zu erwerben und anzuwenden, während smart die Fähigkeit bezeichnet, diese Intelligenz auf clevere und praktische Weise im Alltag einzusetzen.
Und diese sagte uns ChatGPT:
"Smart bezieht sich auf die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu kommunizieren, während intelligent die Fähigkeit zur Problemlösung, Schlussfolgerung und Anpassung bezeichnet."
Zwei völlig unterschiedliche, wenn auch inhaltlich ähnliche Antworten auf die gleiche Frage. Bei deterministischen, smarten Systemen (etwa regelbasierte Systeme zur automatischen Übersetzung, wie der ursprüngliche Yahoo Babelfisch) wäre die Antwort identisch ausgefallen.
Die Ergebnisse dieser intelligenten Systeme sind hingegen offen, undeterministisch. Sie lassen sich nicht mehr vorhersagen. Und sie können, aufgrund dieser Offenheit, auch absolut falschliegen. Und das ist gerade in der Stromwirtschaft – bzw. überall, wo gemessen, gesteuert und geregelt werden soll – ein großes Problem.
Mehr dazu dann in Teil 2