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Nudging – von Gesetzes wegen

Flexible Stromtarife werden ab 2025 zum Pflichtangebot

Die Digitalisierung der Energiewende – so der erklärte Wille von Politik, Wirtschaft und vielen Verbrauchern – ist kein Selbstzweck: Strom soll gerade dann verbraucht werden, wenn er besonders günstig ist bzw. aus erneuerbaren Energiequellen stammt, was in der aktuellen Situation übrigens das gleiche bedeutet. Doch das erfordert zweierlei: Die dafür notwendigen Informationen müssen den Verbrauchern auch zur Verfügung stehen – und zwar idealerweise prognostisch. Und es müssen Anreize geschaffen werden, diese Informationen auch zu nutzen und das eigene Handeln danach auszurichten.

Kurz: Dafür muss Smart Metering mit einer entsprechenden Schnittstelle zum Strompreis auf breiter Basis zur Verfügung stehen. Und die Stromanbieter müssen flexiblere Tarife anbieten, die das Verbraucherverhalten preislich besser abbilden und vorbildliches Verhalten entsprechend belohnen.

Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung jetzt den Entwurf eines „Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ vorgelegt. Doch wie kann das in der Praxis aussehen?

Was ist eigentlich ein Nudge und was macht ihn so nützlich?

Nudge: Diesen Begriff aus der Verhaltensökonomik haben der Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und der Jurist Cass Sunstein in ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ beschrieben. Gemeint damit ist ein Denkanstoß, mit dem sich das Verhalten von Menschen beeinflussen lässt, ohne dabei auf Gebote oder Verbote zurückzugreifen oder die ökonomischen Anreize verändern zu müssen.

In einer Welt des Nudging ist der Mensch eben kein reiner Homo Oeconomicus, der stets nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung und daher optimal entscheidet. Im Gegenteil: Der Mensch ist nicht immer in der Lage, optimale Entscheidungen zu fällen – sei es, weil ihm Informationen fehlen, sei es, weil es an Selbstkontrolle mangelt.

Energie (und unser aller Umgang mit dieser Ressource) ist ein ideales Spielfeld für Nudge. STROMDAO-CTO Thorsten Zoerner nutzt in seinem Smart Home solche Anstöße für das Denken und Handeln: Sein Energiemanagement-System teilt ihm beispielsweise mit, wenn der Stromspeicher voll ist und er daher (zum Beispiel) besonders günstig Waschmaschine und/oder Trockner betreiben kann. Solch ein Nudge liefert also die notwendige Information zu einem ökologisch sinnvollen Verhalten. Und es bietet in diesem Fall auch gleich einen Anreiz dafür, wirklich zu handeln: In diesem Moment die Waschmaschine anzuwerfen spart nämlich bares Geld.

So ein Nudge hat also den entscheidenden Vorteil, dass er ohne Zwang und moralischen Zeigefinger auskommt. Er liefert einfach nur die Information, auf deren Basis sich eine sinnvolle Entscheidung treffen lässt. Zudem ließe sich ein solches System relativ leicht auf breiter Basis implementieren – auch für jene, die noch keine Solaranlage betreiben: mittels Smart Metering und einem entsprechenden Energiemanagement, das man mit einer entsprechenden Informationsquelle koppelt – sei es mit dem aktuellen Börsenstrompreis oder etwa dem Corrently GrünStromIndex.

Allein: Warum sollte ein Verbraucher so etwas tun? Weder Smart Metering noch Energiemanagement gibt es zum Nulltarif. Und viel Geld spart der Endverbraucher auch nicht, denn sein Kilowattstundenpreis bleibt bei den regulären starren Stromtarifen gleich.

Um beim Beispiel zu bleiben: Waschen muss der Verbraucher ohnehin. Und die Ladung Wäsche kostet ihn stets das Gleiche. Also wird er sie waschen, wann es ihm passt. Sein Verhalten ändern? „Irgendwie was ökologisch Sinnvolles“ zu tun, ist dafür nicht Anreiz genug. Das Incentive muss also konkreter sein – und dem gesunden Egoismus des Konsumenten entgegenkommen.

Die gute Nachricht: Der Anreiz muss aber auch nicht besonders groß sein, man denke nur an den einen Euro, mit dem man auf dem Supermarkt-Parkplatz einen Einkaufswagen auslöst und den man bei ordnungsgemäßem Abstellen wieder zurückerhält. Dass so ein System so gut funktioniert und die Einkaufswagen auch dann zurückwandern, wenn das Schloss defekt ist, ist ein gutes Beispiel für erfolgreiches „Nudging“.

Doch wie kann so ein Anreiz in Sachen Stromverbrauch aussehen? Ganz einfach: Man flexibilisiert die Tarife dergestalt, dass sie gewünschtes Verhalten durch günstigere Preise belohnen – und umgedreht.

Das zumindest ist die Idee, die der deutsche Gesetzgeber bereits 2016 im Energiewirtschaftsgesetz folgendermaßen formulierte:

„Lieferanten haben, soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar […], für Letztverbraucher von Elektrizität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs setzt. Tarife sind insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife.“ (EnWG §40)

Nudging und das deutsche Stromnetz

„Technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar“: Das hieß bislang, dass nur Stromanbieter, die mehr als 100.000 Letztverbraucher beliefern, solche flexiblen Tarife anbieten mussten. Diese Schwelle entfällt ab 2025.

Und das ist nur eine Maßnahme in einem ganzen Paket, das die deutsche Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende vorgestellt hat. Es würde zu weit führen, hier alle Änderungen vorzustellen, die vom Pflichtangebot flexiblerer Tarife bis hin zu Maßnahmen im Bereich Datenschutz und Cybersicherheit reichen.

Für das Thema dieses Artikels ist jedoch noch eine weitere wichtige Maßnahme von Belang: Das Smart Metering soll massiv gepusht werden – unter anderem dadurch, dass die jährlichen Kosten für solch eine flexible Messung auf einem recht niedrigen Niveau gedeckelt werden, so etwa für letztverbrauchende Haushalte mit einem Gesamtverbrauch von 3.000 bis 6.000 kWh/Jahr auf 20 Euro. Damit wird Smart Metering praktisch für jedermann mach- und nutzbar. Zudem, so zumindest die Wunschvorstellung, würden diese Kosten für den Verbraucher über die Einsparungen durch flexible Tarife rasch wieder eingespielt.

Flexible Stromtarife nach dem Willen des Gesetzgebers

Wie bereits erwähnt: Flexible Stromtarife sind kein Selbstzweck, sondern sollen Anreize für die Endverbraucher bieten und intelligentes Nudging ermöglichen. Dabei geht es nicht um Wirtschaftlichkeit allein: Die Nutzung der erneuerbaren Energien soll dabei besonders gefördert, der Verbrauch aus fossilen Energieträgern gesenkt werden.

Das setzt zwei klare Bedingungen für solche Tarife:

  1. Die Preise müssen sich angemessen und flexibel an das Verbrauchsprofil anpassen. Dabei kann es jedoch nicht so sein, dass zu günstigen Zeiten der Preis zwar auf „Geiz-ist-Geil“-Niveau abgesenkt, in der übrigen Zeit aber ordentlich draufgeschlagen wird. Das gilt natürlich auch für die Grundgebühren und anderen Kosten.

  2. Das mit dem Tarif verbundene Smart Metering muss den Verbrauchern Daten auch prognostisch zur Verfügung stellen: Was nützt es mir, wenn jetzt gerade der Strompreis günstig ist, jedoch die Abenddämmerung und damit die Dunkelflaute naht und meine Waschmaschine aber trotzdem zwei Stunden läuft? Auch kann es sein, dass ich nicht zuhause bin, wenn der Preis günstig ist. Dann wäre es gut, wenn ich bestimmte Prozesse wie das Waschen oder das Laden meines E-Fahrzeugs aus der Ferne anstoßen oder automatisieren kann.

Doch wie kann solch ein Tarif aussehen? Dazu gibt es auf dem Markt aktuell drei Ansätze:

  1. Tageszeitenabhängig

  2. Gekoppelt an den Strompreis an der Börse

  3. Gekoppelt an die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien

Der Tageszeiten-Tarif

Die Idee ist nicht neu. Ältere Eigenheimbesitzer werden sich noch an die zwei Stromzähler im Keller erinnern: „Tagstrom“ für den Haushalt und „Nachtstrom“ für die Nachtspeicherheizung. Der Nachtstrom war damals günstiger, da er aus Kraftwerken stammte, die sich nicht so leicht hoch- und runterfahren ließen.

Ähnlich ließe sich auch heute ein Tarif aufsetzen: So könnte zum Beispiel ein Stadtwerke-Betrieb einfach ein allgemeines Lastenprofil erstellen, das sich daran anlehnt, wann in der Regel viel bzw. wenig Strom verbraucht wird, entweder auf Tagesbasis oder sogar (z. B. stundengenau) über längere Zeiträume anhand von historischen Daten. Für seine Entscheidungen muss der Verbraucher also nur auf die Uhr schauen und er weiß, wieviel ihn seine Ladung Wäsche kostet – und wann es vielleicht günstiger ist. Das macht die Entscheidungsfindung besonders leicht – und auch einfach automatisierbar: Zeitschaltuhren reichen.

Allein: Solche Tarife bilden nicht das aktuelle Geschehen im Stromnetz ab, im Gegenteil. Wenn jetzt beispielsweise viele Verbraucher gleichzeitig entscheiden, zu günstigen Zeiten zu waschen oder den Slow Cooker anzuwerfen, steigt der Stromverbrauch in diesem Zeitraum, damit die Nachfrage und auch der Börsenstrompreis. Besonders heftig wird es, wenn auch gewerbliche Verbraucher solche Tarife nutzen, etwa Fertigungs- oder Handwerksbetriebe. Die Anbieter wären also gezwungen, diese Tarife immer wieder neu zu überdenken, denn das Lastenprofil wandelt sich konstant.

Einfacher wäre es hingegen, den Strompreis direkt an den Börsenstrompreis zu koppeln.

Kopplung an den Börsenstrompreis

Es klingt einfach und fair: Der Stromanbieter koppelt seinen Kilowattstundenpreis einfach an den Preis an der Strombörse – sei es, dass der die Kosten (oder die bei negativen Strompreisen entstehenden Gewinne) einfach durchreicht oder sei es, dass er noch eine Marge aufschlägt. So kann er – Smart Metering vorausgesetzt – beispielsweise stündlich, im 15-Minutentakt des Netzes oder sogar sekundengenau abrechnen. Dabei könnte der Strompreis theoretisch sogar ins Negative sinken (wie er es an der Strombörse ja gelegentlich tut) und der Verbraucher bares Geld verdienen.

Allein, Letzteres wird wohl nicht allzu oft vorkommen, denn der Strompreis setzt sich ja aus vielen unterschiedlichen Teilen zusammen: Grundgebühr, Abrechnungskosten, Netzgebühren etc. Und so mancher Stromanbieter wird sich sicher seinen großzügig eingerichteten flexiblen Tarif durch einen Aufschlag vergüten lassen, den man im englischen Sprachraum gerne als PITA Tax bezeichnet. PITA ist dabei ein Akronym für „Pain In The ***“ (Wort nach Belieben ergänzen).

Der eine oder andere mag zudem einwenden: „Moment, der Börsenpreis schwankt doch ständig. Wie sieht es denn da mit der Prognose aus?“

Das ist richtig, der Börsenpreis schwankt – aber nicht in einem Maße, das nicht zumindest in Grenzen vorhersagbar wäre: Neben Informationen zum Wetter (und damit der zu erwartenden Einspeisung von besonders günstigen erneuerbaren Energien) steht nämlich noch eine weitere Datenquelle zur Verfügung: Großverbraucher wie Industriebetriebe müssen ihren geschätzten Strombedarf (einschließlich der geplanten Zeiten) im Voraus melden. Aus diesen Informationen lässt sich eine relativ verlässliche Prognose ableiten.

Aber: Fördert so ein Tarif auch den Einsatz erneuerbarer Energien? Aktuell schon, denn Sonne, Wind und Wasser sind die preislich günstigsten Energiequellen. Das könnte sich aber theoretisch ändern, wenn beispielsweise die Gas- und Ölpreise ebenso plötzlich einbrechen, wie sie gestiegen sind, oder die französischen Kernkraftwerke maximal liefern und so Strom exportieren können/müssen – und zwar zum Schleuderpreis. Beide Situationen sind nicht völlig undenkbar.

Wir wäre es daher, indirekt vorzugehen, indem wir den Strompreis auf die eine oder andere Art und Weise an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien koppeln? Und damit nähern wir uns in großen Schritten der Eigenwerbungs-Sektion dieses Artikels, denn genau das machen wir mit dem Corrently GrünStromBonus.

Unser Ansatz: Der Corrently GrünStromBonus

Wir haben an dieser Stelle schon das eine oder andere Mal über den GrünStromIndex berichtet: Dieses Instrument erlaubt es Verbrauchern, relativ einfach zu ermitteln, ob und wann in seiner Region GrünStrom verfügbar ist – gegen eine faire Gebühr auch via API. Diesen Index stellen wir jedoch nicht nur aus reinem Altruismus bereit. Wir lizensieren die Nutzung an Gerätehersteller und App-Anbieter. Und wir nutzen die Informationen selbst – für unsere GrünStrom-Tarife.

Bei der Entwicklung dieser Tarife haben wir uns von Anfang an drei Ziele gesetzt:

  1. Via Smart Metering und intuitiv nutzbaren Oberflächen wollten wir volle Transparenz für den Stromverbrauch schaffen – und so ein intelligentes Energiemanagement mit dem eingangs beschriebenen Nudging ermöglichen.

  2. Wir wollten die Nutzung von regional erzeugtem Ökostrom fördern.

  3. Und wir wollten unsere Kunden langfristig zu Anteilseignern an Solaranlagen machen – Stück für Stück zum eigenen Kraftwerk, dessen Strom sie dann besonders günstig beziehen können, da nur noch Kosten für Abrechnung und Netznutzung anfallen.

Die letzten beiden Punkte haben wir in unseren Tarifen zusammengefasst: Zwar bleibt der Kilowattstundenpreis auf dem Papier gleich – doch jede Kilowattstunde, die zu Zeiten besonders hoher Verfügbarkeit von regional erzeugtem Ökostrom abgerufen wurde (den wir ja selbst günstig einkaufen ober über unsere eigenen Anlagen erzeugen können), vergüten wir mit einem bestimmten Betrag. Doch dieser Betrag wird nicht einfach bei der Stromrechnung gutgeschrieben, sondern in Bonus-Punkte umgewandelt, mit denen der Verbraucher dann wiederum Anteile an unseren Solaranlagen erwerben kann. Alternativ kann er aber auch Bäume pflanzen lassen – als altruistisches Geschenk an die Umwelt. Bei einer direkten Gutschrift schiebt uns die Strompreisbremse aktuell einen Riegel vor – aber wir arbeiten auch bereits an so einer Vergütungsmöglichkeit.

Fazit

Die Kopplung der Strompreise an die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien beginnt bereits Schule zu machen. So haben wir etwa die Stadtwerke Tübingen beim Aufbau eines entsprechenden Prognosesystems unterstützt: Das Energiewetter wird sicher bald schon Datengrundlage für flexible Tarife sein.

Und spätestens ab 2025 werden neue Ansätze auf breiter Basis verfügbar sein. Der Gesetzgeber hat hier die richtigen Weichen gestellt und dabei das Instrument des rechtlichen Zwangs nur sparsam eingesetzt. Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende ist also selbst ein Beispiel für gelungenes Nudging.

Allein: Mit diesen Vorgaben ist es nicht getan. Es ist an uns – Stromanbietern wie Verbrauchern – das Gesetz mit Leben zu füllen. Dazu reichen reines Smart Metering und flexible Stromtarife nicht aus. Daten müssen zu Informationen werden, an denen die Letztverbraucher ihr Verhalten ausrichten können – eine Aufgabe für ein intelligentes Energiemanagement und gleichzeitig eine Herausforderung, die Innovation fordert und fördert.

Daher zum Abschluss unsere Frage an euch: Wie würdet ihr euer Verhalten anpassen? Und welche Nudges (und Informationen) benötigt ihr dazu? Wir sind gespannt auf eure Ideen.