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Beweis mal, dass du GrünStrom fährst!

Dokumentation, Eigentumsnachweis und Emissionshandel in der E-Mobilität – Teil I

Hey du! Du da an der Elektrozapfsäule! Du hast gerade GrünStrom getankt, oder? Ehrlich? Kannst du das beweisen? Kannst Du belegen, dass der Strom, den du gerade getankt hast, auch wirklich Dir gehört – und dass es sich dabei um GrünStrom handelt? Das ist nicht so einfach, wie man vermuten könnte – spätestens dann nicht, wenn man die CO2-Emissionen mit einbezieht. Doch es gibt einen potenziellen Lösungsansatz, von dem Du vielleicht sogar schon in den Medien gelesen hast – im Zusammenhang mit digitalen Kunstwerken.

Reicht da nicht die Quittung zum Nachweis?

Wenn ich einen eigenen Ladeanschluss zu Hause habe, erhalte ich eine monatliche Rechnung – entweder auf Papier oder immer häufiger als (signiertes) PDF.

Und wenn ich an einer öffentlichen Stromzapfsäule tanke, zahle ich entweder über einen bestehenden Vertrag (Abrechnung siehe oben) oder per Karte bzw. anderem Zahlungsservice wie PayPal oder Apple Pay. Einige Stromtankstellen ermöglichen sogar die Barzahlung. Doch unabhängig davon, wie ich zahle, erhalte ich eine Quittung – elektronisch oder auf Papier.

Diese Quittungen bzw. Abrechnungen enthalten Informationen zur aufgenommenen Strommenge, zum Ort, zum Zeitpunkt, zum Anbieter und zum Preis. Zudem erhalten sie über eine Rechnungs- oder Belegnummer eine eindeutige Identität, die sich mit einem möglichen elektronischen Zahlungsvorgang abgleichen lässt.

Problem gelöst? Nein, nicht wirklich! Fragt mal euer Finanzamt, wie viele gefälschte oder manipulierte Belege sie im Laufe eines Jahres so entdecken. Und dann multipliziert die Zahl mit 1.000, um eine äußerst konservative Schätzung der tatsächlich in betrügerischer Absicht eingereichten Rechnungen und Quittungen zu erhalten.

Zudem sind viele dieser Belege aus Datenschutzgründen anonym. Daher lässt sich besonders bei Barzahlung nicht mehr sicher sagen, ob der Einreicher tatsächlich einen Beleg bezahlt oder ihn im Mülleimer gefunden hat.

Nun könntet ihr sagen: Was solls? Ich bin eine ehrliche Haut. Alles andere ist Job des Finanzamts. Im Gegensatz zur fossilen Dreckschleuder meines Nachbarn kann mir niemand den Treibstoff abzapfen. Der bleibt in meinem Akku, bis ich ihn selbst verbrauche.

Also: Thema erledigt? Weit gefehlt!

Was genau erwerbt ihr eigentlich an der Stromzapfsäule?

Wann immer ich meinen E-Flitzer mit Strom betanke, erwerbe ich mehr als nur die Elektrizität in meinem Akku. Ich bin dann auch – zumindest in der Theorie – stolzer Eigentümer der dadurch verursachten CO2-Emissionen (sofern ich keinen GrünStrom getankt habe). Noch viel wichtiger: Mir gehören dann auch die damit einhergehenden CO2-Einsparungen. So will es zumindest der Gesetzgeber.

Zur Erinnerung: Die Treibhausgasminderungsquote verpflichtet Mineralölunternehmen dazu, den durch ihre Treibstoffe verursachten CO₂-Ausstoß zu senken – aktuell um sieben Prozent, 2030 sollen es 25 Prozent sein. Können sie diese Vorgaben nicht einhalten, drohen Strafen – oder sie müssen am Markt zusätzliche Emissionsrechte erwerben. Umgedreht schöpfen Anbieter von Grün- oder Ökostrom für die Elektromobilität naturgemäß ihre Emissionsrechte nicht aus und können diese als CO2-Zertifikate am Markt verkaufen. Seit Beginn des Jahres 2022 können sich auch die Besitzer von elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen an diesem Handel beteiligen und die durch das „Tanken“ von Öko- oder Grünstrom eingesparten Emissionen verkaufen – zumindest pauschal und aktuell noch über Zwischenhändler.

Und das ist nur ein Aspekt. Seit Jahresbeginn 2023 stehen nämlich nach dem Lieferkettengesetz noch viel mehr Unternehmen als zuvor in der Pflicht, die CO2-Bilanz ihrer Produkte und Services transparent nachzuweisen: Logistik (und damit (E-)Mobilität) spielt dabei eine nicht gerade kleine Rolle.

Es ist zu mutmaßen, dass die Unternehmen diese Verpflichtung mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen: Zwar erhöht sich der bürokratische Aufwand, doch sie können jetzt jedoch ihre Emissionen (oder ihre Einsparungen) transparent belegen. Das ist nicht nur gut fürs Image, sondern ermöglicht zudem, die damit verbundenen Kosten auf den Preis aufzuschlagen bzw. die verursachten CO2-Emissionen einfach an ihre Kunden weiterzureichen.

Nun gut, aber wie dokumentieren wir nun die Emissionen und Einsparungen in der E-Mobilität? An der E-Zapfsäule zumindest sollte sich das doch leicht umsetzen lassen, oder? Wir schreiben einfach CO2-Emissionen und Einsparungen mit auf die Quittung. Das ist ein einfacher Dreisatz: Wenn eine Kilowattstunde an diesem Ort und zu dieser Zeit x Gramm CO2 emittiert bzw. einspart – diese Informationen lassen sich ja ermitteln oder zumindest hinreichend genau pauschalisieren –, dann muss ich diesen Wert einfach mit der Anzahl der getankten Kilowattstunden malnehmen. So wie bei anderen Preisen auch: Ein Apfel kostet ein Euro. Also kosten zehn Äpfel zehn Euro. Und was für eine finanzielle Bilanz recht ist, muss doch hier nur billig sein, oder?

Das mag richtig sein, sofern wir nur über Bilanzen reden, auch wenn das eingangs beschriebene Problem der Fälschungs- und Manipulationssicherheit weiterhin besteht.

Doch wir wollen mit den Emissionen ja handeln – genauer gesagt: mit den Einsparungen. Und dafür brauchen wir einen genaueren Nachweis, dass diese – und genau diese – Einsparungen bzw. Emissionen uns gehören.

Die Herausforderung der Eineindeutigkeit

Nein, Eineindeutigkeit ist kein Tippfehler. Eineindeutig nennen es die Mathematiker, wenn eine eindeutige Beziehung auch in umgekehrter Richtung gilt. In der Regel ist die Beziehung zwischen einem Kaufbeleg und einem gekauften Gegenstand zumindest dem allgemeinen Verständnis nach eineindeutig: Ich kaufe einen Apfel und erhalte dafür einen Kaufbeleg. Die Beziehung ist eindeutig. Umgekehrt bezieht sich dieser Kaufbeleg genau auf den von mir erworbenen Apfel. Alles klar, oder?

Nicht so vorschnell! Der Apfel könnte nämlich einen Wurm haben. Das gäbe mir das Recht, den Apfel umzutauschen. Doch mein Kaufbeleg gälte weiter. Für diesen neuen und hoffentlich wurmfreien Apfel. Die Beziehung von Apfel und Apfelbeleg ist im eigentlichen Sinne eben nicht eineindeutig.

Doch wie sieht so eine eineindeutige Beziehung zwischen Objekt und Beleg nun aus? Ein gutes Beispiel dafür ist der KFZ-Brief. Nehmen wir an, ich kaufe ein neues Fahrzeug: einen richtig coolen Elektroflitzer, der Begehrlichkeiten weckt und noch in der Nacht der Jungfernfahrt gestohlen wird. Hoffentlich bin ich dann vollkaskoversichert. Dann erhalte ich das exakt baugleiche, exakt gleich ausgestattete Fahrzeug – doch nicht notwendig eine neue Kaufquittung, sofern die Beschaffung von der Versicherung direkt abgewickelt wird. Meine alte Kaufquittung gälte weiter. Allerdings erhalte ich in jedem Fall einen neuen KFZ-Brief – denn bei aller Ähnlichkeit fahre ich ja jetzt ein anderes Fahrzeug mit einer anderen, über die Fahrgestellnummer eindeutig belegten Identität. Und wenn ich das Fahrzeug später verkaufe, gebe ich genau diesen Brief weiter; er wird einfach nur um den Eintrag des neuen Eigentümers ergänzt.

Nun könnte ich bei Verlust des KFZ-Briefes (zum Beispiel bei einem Wasserschaden) eine Zweitschrift ausstellen lassen. Die Daten sollten sich ja in der Zulassungsstelle finden. Zudem muss ich das Fahrzeug vermutlich vorführen – all das ist mit viel Aufwand und Kosten verbunden, aber machbar.

Sehr viel dramatischer sieht es hingegen bei den CO2-Emissionen und Einsparungen aus, die ich bei einem E-Tank-Vorgang „erworben“ habe. Will ich damit handeln, brauche ich einen eineindeutigen Eigentumsnachweis, denn ich kann z. B. die Einsparungen nur einmal verkaufen, der Käufer sie nur einmal gegen Emissionen eintauschen.

Das Problem ist nun: Geht der entsprechende Beleg verloren, wird es schwierig, ihn in der Vielzahl der beteiligten Systeme zu rekonstruieren. Und anders als beim KFZ-Brief habe ich ja keinen Gegenstand, den ich vorführen könnte: Eine eventuelle Emission hat sich in der Atmosphäre verflüchtigt. Und eine Einsparung erkennt man ja vor allem an der Nicht-Existenz des Eingesparten.

Nun gut, man könnte die Quittung so lange mit Informationen anreichern, bis sie hinreichend eineindeutig ist: Kennzeichen und Fahrgestellnummer des betankten Fahrzeugs, Akku-ID usw. Zudem benötigen wir den Ort und den Zeitpunkt der Einsparung. Das hat nicht nur Plausibilitätsgründe. Der Markt mit Emissionen ist nämlich auf Länderebene regionalisiert, um eine europaweit einheitliche Gesamtbilanz zu ermöglichen und auch den internationalen Tausch transparent zu gestalten – sonst könnte sich eine Region ganz einfach „freikaufen“ und buchhalterisch alle Emissionen in emissionsarme Länder (zum Beispiel in der Dritten Welt) verschieben, wie es ja leider auch mit anderen Industrieabfällen geschieht.

Doch wirklich praktikabel ist so ein vollgestopfter Papier- oder PDF-Beleg nicht, wenn wir nicht Tonnen von Akten hin und her schieben wollen. Kein Wunder also, dass der Handel für Privatpersonen bisher ausschließlich über Vermittler sowie über das Bundesumweltministerium verläuft und pauschal abgerechnet wird – zum Nachteil des Verkaufenden.

Gibt es denn eine sinnvolle Alternative? Ja. Wir müssen nur das Prinzip umdrehen und der Emissions- bzw. Einsparungsdokumentation ein Etikett ans Ohr hängen, das zu jedem Zeitpunkt nachprüfbar sagt, wem sie gehört und was sie enthält.

Die Lebensmittelindustrie zeigt uns dabei, wie es geht: Theoretisch kann ich das Steak auf meinem Teller bis zur glücklichen Kuh Ottilie auf der Alm bei Oberstdorf zurückverfolgen. Und zwar lückenlos. Einschließlich solch lebenswichtiger Informationen wie die zur geschlossenen Kühlkette.

Dazu nutzt die Fleischindustrie seit Neuestem etwas, das man in der Öffentlichkeit bisher nur von Kryptowährungen oder aus dem Handel mit digitalen Kunstwerken kennt: Blockchains und NFTs.

Genau mit diesem Ansatz lässt sich auch der Eigentumsnachweis von Emissionen und Einsparungen fälschungssicher sowie eineindeutig erbringen – der wichtigste Schritt hin zu einem flexibleren und gleichberechtigteren Handel. Deshalb werfen wir in den nächsten Teilen dieser Artikelserie mal einen Blick auf diese technologischen Ansätze.