STROMDAO GmbH

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Erneuerbar heißt regional?

Dezentrale Infrastruktur für eine nachhaltige Energieversorgung

Die Vorteile einer dezentralen, jedoch umfassend vernetzten Infrastruktur liegen auf der Hand: Sie ist resilienter, schwerer angreifbar – und auch energetisch günstiger: Lange Stromtransportwege mit den verbundenen Verlusten werden deutlich reduziert. Für eine effektive Versorgung mit erneuerbaren Energien, die zunehmend auf die Verantwortung des Einzelnen – salopp: des Häuslebauers mit Solarzellen auf dem Dach und Wärmepumpe im Garten – setzt, ist sie sogar unabdingbar notwendig. Doch vielerorts herrscht dabei noch unstrukturierter Wildwuchs, der verhindert, dass erneuerbare Energien ihre Vorteile wirklich ausspielen. Doch wie können die daher notwendigen Regionalkonzepte entstehen?

Regionale Energieversorgungskonzepte existieren schon lange: Inseln beispielsweise standen vor der Herausforderung, sich selbst mit der notwendigen Energie zu versorgen – denn nicht immer war die Nabelschnur zum Festland möglich oder die sinnvollste Lösung. Auch in dünn und punktuell besiedelten Gebieten wie etwas auf dem afrikanischen Kontinent sind solche „Insel“-Versorgungen sinnvoller als der Anschluss über Stromtrassen durch oft unwegsames Gelände und den damit einhergehenden Herausforderungen bei Bau und Wartung.

Im dicht besiedelten Europa setzte man hingegen spätestens seit dem Höhenflug der Atomenergie in den Sechzigerjahren auf eine in hohem Maße zentralisierte Stromversorgung. Man ging davon aus, dass dank Atomstrom Energie in Zukunft kein Problem mehr darstellen werde und die Reibungsverluste beim Transport sich entsprechend verschmerzen ließen. Fernsehserien wie „Die Jetsons“ legen von diesem utopischen Optimismus Zeugnis ab.

Doch spätestens seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl am 26. April 1986 hat sich allmählich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Kernenergie mindestens so viele Probleme schafft wie löst – und zudem alles andere als kostengünstig wäre, würde sie nicht bis unter die mutierten Kiemen subventioniert werden. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima läutete schließlich auch bei uns die Energiewende ein.

Diese Wende kam natürlich nicht aus dem Nichts. Schon seit Jahrzehnten befinden sich erneuerbare Energien im Aufwind – die Technologien, um Wind, Sonne, Wasser und Biomasse zu nutzen, sind ausgereift und zu ökonomisch sinnvollen Preisen auf dem Weltmarkt zu haben. So baut etwa die Husumer Schiffswerft bereits seit 1980 Windkraftanlagen – und so manches Dorf, so manche Kleinstadt in Schleswig-Holstein setzte schon damals rasch auf Energie „aus regionalem Anbau“. Doch mit dem Umdenken bei der Energieerzeugung geht nicht notwendig ein Paradigmenwechsel bei der Infrastruktur einher. Zentralistische Konzepte wie etwa Mega-Windparks in der Nordsee verbunden mit dem Neubau von Höchstspannungstrassen durch die Republik sind in der Debatte äußerst präsent – das regionale Solarfeld, das Windrad in der Nähe der Verbraucher werden hingegen eher kritisch beäugt, der Häuslebauer mit seinen Solarzellen auf dem Dach galt lange Jahre als Ökofundamentalist. Erst langsam (und vielerorts noch überhaupt nicht) setzt sich die Erkenntnis durch, dass Regionalität und Dezentralität nicht nur notwendige Bedingungen für eine möglichst umfassende Versorgung mit erneuerbaren Energien sind, sondern auch zu deren größten Vorteilen gehören. Neben der bereits eingangs genannten Resilienz und Angriffssicherheit sowie der Reduktion des verlustreichen Energietransports spielt hier auch der weitergreifende ökologische Fußabdruck eine Rolle: Nutzbare und bereits gut ausgerichtete Dachflächen gibt es zuhauf, die notwendigen Bohrungen für die Erdwärmeversorgung eines Ein- oder Zweifamilienhauses sind relativ low-impact – und viele Flächen, die weder land- noch forstwirtschaftlich gut nutzbar und auch als Biotope nicht unbedingt sinnvoll sind, erweisen sich als gute Standorte für Windräder.

Hinzu kommt, dass die notwendige Technologie immer bezahlbarer wird. Nicht erst seit den sprunghaften Anstiegen der Strompreise wird dieses Angebot privat immer häufiger genutzt, trotz abnehmender staatlicher Förderung: Heutzutage findet sich kaum ein Häuslebauer, der nicht die Solarzellen auf dem Dach seines neuen oder frisch renovierten Eigenheims, die Erdwärmepumpe im Garten und seit einiger Zeit auch den großen Stromspeicher ebenso stolz präsentiert wie die eichenholzgetäfelte Kellerbar. Grüner Strom aus eigener Erzeugung ist zum Status-Symbol geworden. Und das ist auch gut so.

Leider bedeutet das aber auch Infrastruktur-Wildwuchs. Zudem müssen die bisherige Stromversorgung und das Netz der erneuerbaren Energien zusammenfinden. Auch das geht nicht immer ohne Reibungsverluste und Wachstumsschmerzen.

Gründliche Planung und systematisch durchdachte Regionalkonzepte sind also dringend notwendig. Dazu müssen zentralistische Denkmuster – das „Vom Großen ins Kleine“ – durchbrochen werden. Die Frage kann zum Beispiel nicht mehr sein, wo man am besten ein Großkraftwerk platziert, damit es möglichst viele Haushalte versorgen kann.

Ein robustes Regionalkonzept hingegen beginnt genau am anderen Ende: beim Einzel-Erzeuger/Verbraucher – beim Eigenheim- oder Mietimmobilienbesitzer, der bemüht ist, sich und seine Mieter möglichst autark mit Strom zu versorgen. Dem sind natürlich technische und wirtschaftliche Grenzen gesetzt: Für das Ein- oder Zweifamilienhaus ist zum Beispiel eine Versorgungsautonomie von bis zu 80 Prozent wirtschaftlich möglich. Bei den restlichen 20 Prozent steigen die Kosten dann rasch in astronomische Höhen. Die Bewohner eines solchen Hauses müssen also die Möglichkeit haben, die restliche Energie hinzuzukaufen. Doch das muss nicht unbedingt über das bisherige zentralisierte Stromnetz erfolgen.

Vielmehr kommt hier die nächstgrößere Einheit ins Spiel: das Stadtviertel oder – bei Dörfern – der Ortsteil. Eine geeignete Infrastruktur sorgt dann zunächst für optimale Lastenverteilung – denn nicht alle Bewohner rufen ihre volle Leistung zur gleichen Zeit ab, im Gegenteil – und ergänzt die Energieversorgung beispielsweise um ein mit Biomasse oder Biogas befeuertes Blockheizkraftwerk, das die Gebäude gleichzeitig mit Wärme versorgt.

Die nächstgrößere Struktureinheit wäre dann der Stadtteil oder das Dorf, das nun die Möglichkeit hat, ebenfalls zusätzliche Energieerzeuger einzubinden – Windräder etwa, einen Solarpark oder sogar ein kleines Wasserkraftwerk, so es die lokalen Gegebenheiten möglich machen.

Auf der nächstgrößeren Ebene, der Stadt bzw. Kommune, könnte so ein Konzept bereits auf gewachsene Strukturen zurückgreifen – auf die vielerorts für die Grundversorgung zuständigen Stadtwerke, die neben ihrer in den letzten Jahrzehnten erworbenen Kompetenz als Energiehändler (und somit Manager) auch ihre alte Kernkompetenz als regionaler Stromerzeuger ökologisch sinnvoll ausbauen bzw. wiederbeleben könnten.

Und so ginge es dann weiter: Von der Stadt/Kommune zum Landkreis oder zur Metropolregion, dann zum Bundesland, zum möglichen Länderverbund, schließlich zum ganzen Land und im letzten Schritt zu Europa – Letzteres sogar mit potenziellen Schnittstellen nach draußen, auch wenn die Träume von den großen Solarparks in der Sahara aktuell genau das sind: Träume. Auf jeder Ebene kämen dann nicht nur Infrastruktur und ein entsprechendes Energiemanagement hinzu, sondern auch die auf dieser Ebene notwendigen Erzeuger – und ja, das schließt auch herkömmliche oder notfalls nukleare Großkraftwerke ein, jedoch deutlich weniger als bisher.

So entstünde ein Netzwerk einander einschließender und/oder redundant gekoppelter Strukturen, das nicht nur ökonomisch und ökologisch sinnvoll wäre, sondern auch deutlich resilienter, da jede Struktur darauf ausgelegt ist, in gewissem Umfang autonom zu funktionieren. So kann das Einfamilienhaus mit Solarstrom, Wärmepumpe und Speicher einen Stromausfall von ein paar Stunden überbrücken, Stadtviertel bzw. -teil oder Kommune können das schon deutlich länger. Umgekehrt erlaubt die redundante Vernetzung im Bedarfsfall die Durchleitung von Energie aus anderen Regionen und von den noch bestehenden Großkraftwerken.

Ein schöner Traum? Nein! Denn vielerorts ist dieses Umdenken bereits in vollem Gange, allerdings noch nicht systematisch und überall. Aber das ist nur eine Frage der Zeit – und der richtigen Incentives: Im Zentrum eines solchen Denkens stehen dabei die Kommunen: Denn sie haben die grundgesetzlich (Art. 28, Absatz 2) verbriefte Planungshoheit. Vielerorts erweist sich das als Flaschenhals, denn auf kommunaler Ebene stemmen sich viele gegen jede Art der Veränderung. So werden etwa acht von zehn Anfragen zur Entwicklung von PV-Freilandanlagen von den jeweiligen Gemeinden abgelehnt.

„Die Energiewende scheitert an den Kommunen“ ist daher ein oft gehörter Stoßseufzer. Aber das muss nicht sein – mit den richtigen Incentives und Infrastrukturmaßnahmen, die den aktiven Klimaschutz durch die Kommunen stärken.

Wenn es nämlich gelingt, Maßnahmen zu entwickeln, die die ohnehin geringen Ressourcen der Kommune schonen und vielleicht sogar (etwa über einen kommunalen Ökostrom-Tarif) Geld ins Stadtsäckel spülen, dann könnten die Kommunen zum Kristallisationskern einer erfolgreichen Energiewende werden. STROMDAO steht – wie viele andere Unternehmen – bereits in den Startlöchern, die dafür notwendigen Kompetenzen zu liefern und Kommunen den Sprung zum Motor der Energiewende zu ermöglichen. Jetzt sind nur noch der politische Wille und die Bereitschaft zur Veränderung gefragt. Und davon sollten wir angesichts der aktuellen Situation mehr als genug haben.