STROMDAO GmbH

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Blockchain-Start-up erlaubt Blick in die Energie-Zukunft

Erste Anwendungsbeispiele für die Blockchain: Das Start-up Strom DAO arbeitet an einem neuen Stromtarif, der speziell auf die Bedürfnisse von Haushalten mit Elektrofahrzeugen zugeschnitten ist.

Die Blockchain-Technik wird die Energiewelt umwälzen, darin sind sich die meisten Experten einig. Für praktische Beispiele verweisen sie gerne auf den Start-up Strom DAO. „Die Firma hat einige spannende Lösungen entwickelt“, lobt Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center.

Das Start-up sitzt in Berlin und in Manchester – die Gründer Thorsten Zoerner und Stefan Thon in Berlin und einem Dorf in Baden-Württemberg. Für sie ist der Firmenname Programm: DAO steht für eine „Dezentrale Autonome Organisation“, die an die Stelle der bisherigen Mittelsmänner wie Stromanbieter oder Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 treten könnte.

Das Open-Source-Unternehmen für Blockchain-Anwendungen im Strombereich entwickelt konkrete Beispiele wie den Autostrom-Tarif. „Unser Ziel ist es zu vermeiden, dass sich der E-Auto-Besitzer eine Zapfsäule mit eigenem Zähler vor das Haus stellen muss“, sagt Thon im Gespräch mit bizz energy. Bislang gebe es keinen Tarif für Privatbesitzer von E-Autos, die über ihren Hausstrom das Auto aufladen. „An dieser Stelle wollen wir differenzieren“, erläutert Thon. Mit Hilfe der Blockchain könne innerhalb des Hausnetzwerkes unterschiedliche Tarife genutzt werden.

Grünstrom-Index und -Jetons

Angefangen haben die beiden Tüftler ihr Blockchain-Experiment mit den sogenannten Grünstrom Jetons, die auch für den E-Auto-Tarif genutzt werden sollen. Mit Grünstrom Jetons erhalten Stromkunden einen geprüften Nachweis des tatsächlich bezogenen Strommixes. „Grünstrom Jetons basieren auf dem Grünstrom-Index, der eine Aussage darüber trifft, wie hoch der Anteil Strom aus erneuerbaren Energien am derzeitigen Strommix ist“, sagt Thon. Der von Thorsten Zoerner programmierte Grünstrom-Index ist ein automatisch ablaufendes Programm, das aus Daten über die regionale Erzeugungsstruktur, aus Strombörsen-Daten, Wetterprognosen und Netzdaten einen Indexwert errechnet.

Im Gegensatz zu Ökostromtarifen wird die Entnahme aus dem Stromnetz anstelle der Einspeisung betrachtet. Ökostromtarife funktionieren normalerweise nach dem Prinzip, dass der Energielieferant genau so viel Ökostrom am Markt einkauft, wie der Kunde an Strom verbraucht. Hierbei spielt die physikalische Herkunft des vom Kunden genutzten Stroms keine Rolle – aus der Steckdose kommt ein Strommix mit mal mehr und mal weniger Ökostrom.

Auf Basis von Zählerständen wird beim Grünstrom-Index nun aber der Verbrauch mit der zeitgleich am Ort vorhandenen Erzeugung in Relation gesetzt. Für jede Postleitzahlregion listet der Index stundengenau auf, in welchen Zeiten besonders viel Strom aus erneuerbaren Energien an der heimischen Steckdose verfügbar ist. Dies kann jeder im Internet ausprobieren. „Den Grünstrom-Index kann ich nun heranziehen um zu ermitteln, zu welcher Zeit es besonders günstig ist, das Auto aufzuladen“, sagt Thon. Nämlich dann, wenn möglichst viel regionaler, günstiger Ökostrom im Netz ist.

Beispiele und Beratung

Mit Produkten wie dem neuen Autostrom-Tarif wollen Zoerner und Thon aber nicht primär Strom verkaufen – auch wenn Strom DAO seit Ende letzten Jahres deutschlandweit auch als direkter Stromanbieter unterwegs ist. Letztlich leben die Macher von Strom DAO aber von Beratungsdienstleistungen rund um das Thema. Es gehe darum Produkte auszuprobieren, die andere Anbieter dann über ihre Blockchain laufen lassen können. „Wir wollen ausloten, was mit der Blockchain im Energiebereich möglich ist“, sagt Thon. „Wir bauen Demonstratoren“. Ein Autostrom-Tarif sei beispielsweise hochinteressant für Netzbetreiber und Versorger, die ein Interesse daran haben Anreize für die Netzentlastung zu setzen.

Philipp Sandner bestätigt im Gespräch mit bizz energy die Praxisnähe des Projektes: „Strom DAO hat ein System zum buchhalten von Kilowattstunden auf dezentrale Art – also für die Frage, woher kommt eine Kilowattstunde, wo geht sie hin, wo wird sie verbraucht“. Gerade die Buchhaltung von Strom ließe sich durch die Blockchain gut abwickeln: „Das ist eine spannende Lösung, die quasi heute schon eingesetzt werden könnte“, sagt der Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Zoerner und Thon möchten mit Strom DAO ein „Infrastruktur-Anbieter für Marktkommunikation“ werden. Damit ist gemeint, dass die Blockchain den direkten Austausch zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern ermöglicht, ohne Mittelsmänner und regulierte Marktprozesse. Mit ihrer „Energy Blockchain“ wollen sie allen Marktteilnehmern – ob Energieproduzent, Verbraucher, Versorger oder Netzbetreiber – einen gleichberechtigten Zugang zum Markt zur Verfügung stellen.

Die Regulierung muss sich ändern

Thon sieht die Technik als Notwendigkeit unter dem Vorzeichen der Energiewende, bei der eine vollständige Regulierung nicht mehr möglich sei: „Im bisherigen Energiemarkt mit seinen rund 1000 Teilnehmern musste der Gesetzgeber den Konsensrahmen setzen. Beispiel Mieterstrom: Es muss erst ein Gesetz geschrieben werden, bevor es losgehen kann“. Durch die Dezentralisierung werde es aber notwendig, die Dinge anders zu organisieren. „Bei 1,5 Millionen möglichen Marktteilnehmern muss ein neuer Konsensraum geschaffen werden. Die ganzen Anwendungsbeispiele kann der Gesetzgeber gar nicht abdecken. Da ist die Blockchain zwangsläufig“, sagt Thon.

Sandner weist auf drastische Konsequenzen für alteingesessene Unternehmen hin, wenn die Regulierung sich ändert: „Letztlich sind Energieversorger Intermediäre, die Strom bekommen und ihn dann weiterreichen. Diese Firmenstruktur brauche ich übermorgen nicht mehr. Die wird es genau so lange geben, wie die Regulierung das erfordert“ prognostiziert er.

Die Blockchain-Technik kann viele Marktteilnehmer integrieren, Mittelsmänner entmachten, Transaktionen verbindlich dokumentieren und Netze stabilisieren. Nach Meinung der Gründer von Strom DAO kann sie sich zum digitalen Rückgrat künftiger dezentraler Energiesysteme entwickeln.